Arbeitslosengeld: Keine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und Umzug zum Lebensgefährten
LSG Niedersachsen-Bremen 12.12.2017, L 7 AL 36/14Die Klägerin (geb. 1955) war als Einzelhandelsverkäuferin in Schleswig-Holstein tägig. Im Jahre 2011 lernte sie ihren jetzigen Lebensgefährten kennen, der als Hausmeister und Gärtner arbeitet. Sie verbrachten die gemeinsame Freizeit zusammen, wirtschafteten aus einem Topf und sorgten im Krankheitsfall füreinander. Eine gemeinsame Wohnung war geplant. Nachdem mehrere Bewerbungen zunächst erfolglos waren, kündigte die Klägerin ihre Stelle, zog zu ihrem Lebensgefährten und meldete sich arbeitsuchend.
Die beklagte Bundesagentur für Arbeit verhängte eine Sperrzeit, da die Klägerin ohne "wichtigen Grund" gekündigt habe. Sie stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des BSG, wonach ein wichtiger Grund beim erstmaligen Zusammenziehen nur vorliege, wenn ein Verlöbnis bestehe und eine baldige Eheschließung folge.
Das SG folgte dem nicht und gab der gegen die Verhängung einer Sperrzeit gerichteten Klage statt. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LSG keinen Erfolg. Die Revision zum BSG wurde u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld vom 1.12.2013 bis zum 10.2.2014 zu gewähren. Eine Sperrzeit ist nicht eingetreten.
Es erscheint nicht mehr zeitgemäß, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift bei Arbeitsaufgabe wegen Umzugs an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen. Die Sperrzeit ist weder eine Strafvorschrift noch ein Instrument zur Durchsetzung vor dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer Manipulation des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit. Der wichtige Grund ist kein Privileg für Ehegatten, sondern gilt uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation.
Es sind gewichtige Umstände (z.B. finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Gründe, Wohnungsmarkt, Schwangerschaft) denkbar, die unabhängig vom familiären Status einen Umzug zum Partner als vernünftig erscheinen lassen, so dass kein Interesse besteht, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Die Partnerschaft der Klägerin ist erkennbar durch Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge geprägt, so dass die Arbeitsaufgabe kein versicherungswidriges Verhalten darstellt.
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