28.02.2019

attac- Trägerverein nicht gemeinnützig

Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig. Gemeinnützige Körperschaften haben kein allgemeinpolitisches Mandat, so dass der BFH dem attac-Trägerverein den Gemeinnützigkeitsstatus versagt hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 10.1.2019 - V R 60/17

AO § 52 Abs. 2 Nr. 7, Nr. 8 und Nr. 24, § 56, § 63 Abs. 1

Gemeinnützig ist im Steuerrecht die Verfolgung der in § 52 AO ausdrücklich genannten Zwecke. Hierzu gehört jedoch nicht die Verfolgung politischer Zwecke. Allerdings dürfen sich Körperschaften zur Förderung ihrer nach § 52 AO steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke in gewissen Grenzen auch betätigen, um z.B. zur Förderung des Umweltschutzes Einfluss auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu nehmen.

Im Streitfall war das FG im Fall des attac - Trägervereins davon ausgegangen, dass die nach § 52 AO steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ermögliche.

Der BFH entschied jedoch, dass für die zur Volksbildung gehörende politische Bildung wesentlich ist, politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden. Politische Bildungsarbeit setzt aber ein Handeln in geistiger Offenheit voraus. Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig.

Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war jedoch, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen. Der BFH entschied, dass der attac-Trägerverein nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt ist, Forderungen zur Tagespolitik bei "Kampagnen" zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z.B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sog. bedingungslose Grundeinkommen.

Der Streitfall wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen. Denn das FG hatte nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der attac- Bewegung zuzurechnen sind. Dabei hat das FG auch die Selbstdarstellung des attac-Trägervereins auf seiner Internetseite zu berücksichtigen.

Beraterhinweis: Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt insbesondere dazu, dass keine Spendenbescheinigungen ausgestellt werden dürfen. Der endgültige Ausgang des Verfahrens kann auch für die steuerrechtliche Beurteilung des Steuerpflichtigen in Folgejahren von Bedeutung sein. Der attac-Trägerverein hat den BFH unter Verzicht auf das Steuergeheimnis ermächtigt, seinen Namen in Pressemitteilungen zu offenbaren.

BFH, Urteil vom 10.1.2019, V R 60/17, veröffentlicht am 27.2.2019.
 

Verlag Dr. Otto Schmidt