05.08.2011

Auch wegen Mordes verurteilter Straftäter hat Anspruch auf Schmerzensgeld

Das Recht auf Achtung seiner Würde darf selbst einem Straftäter nicht abgesprochen werden, mag er sich auch in noch so schwerer und unerträglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben. Infolgedessen kann auch einem wegen Mordes verurteilten Straftäter ein Anspruch auf Schmerzensgeld zustehen, wenn die Ermittler im Strafverfahren ihm zuvor mit Folter gedroht haben sollten.

LG Frankfurt a.M. 4.8.2011, 2-04 O 521/05
Der Sachverhalt:
Der rechtskräftig u.a. wegen Mordes verurteilte Kläger begehrte Schmerzensgeld sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Amtspflichtverletzung des beklagten Landes. Er trug vor, ihm sei in seiner polizeilichen Vernehmung im Oktober 2002 im Polizeipräsidium Frankfurt wegen der Entführung eines Kindes mit einer schmerzhaften Behandlung gedroht worden, falls er nicht den Aufenthaltsort des entführten und mutmaßlich in Lebensgefahr schwebenden Kindes preisgebe. Infolge dieser Drohung habe er anhaltende schwere psychische Schäden davongetragen. Außerdem sei er bei seiner Vernehmung körperlich angegriffen worden.

Das Verhalten der Polizeibeamten war im Vorfeld schon von verschiedenen Gerichten mehrfach missbilligt worden. Die Verletzung der Menschenwürde wurde dabei mehrfach klar und deutlich festgestellt.

Das LG gab der auf Zahlung von mind. 10.000 € Schmerzensgeld gerichteten Klage i.H.v. 3.000 € statt und wies sie im Übrigen ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 3.000 € wegen der Androhung von Folter.

Aufgrund der Beweisaufnahme stand fest, dass dem Kläger bei seiner Vernehmung im Polizeipräsidium die Zufügung von Schmerzen nicht nur angedroht worden war, sondern auch die Durchführung einer entsprechenden Behandlung auch vorbereitet wurde. Dadurch wurde planvoll, vorsätzlich und in Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieses Tuns und der Gefahr der Unverwertbarkeit der Aussage in die Menschenwürde des Klägers, die das höchste Verfassungsgut darstellt, eingegriffen.

Bei dieser Beurteilung durfte schlechthin nicht berücksichtigt werden, dass der Kläger zuvor eine Straftat begangen hatte. Das Recht auf Achtung seiner Würde darf selbst einem Straftäter nicht abgesprochen werden, mag er sich auch in noch so schwerer und unerträglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben.

Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung wurde berücksichtigt, dass der Kläger nicht beweisen konnte, dass seine behauptete Traumatisierung auf die Behandlung im Polizeipräsidium zurückzuführen war. Vielmehr war diese wohl eher bereits durch das Erleben der Tötung des Opfers und den Einsturz des auf Lügengeschichten und Luftschlössern basierenden Selbstbildes des Klägers eingetreten.

Weiterhin wurden auch die Beweggründe der handelnden Personen berücksichtigt. Denn es ging ihnen einzig und allein um die Rettung des Kindes. Das provozierende und skrupellose Aussageverhalten des Klägers strapazierte die Nerven der Ermittler dabei aufs Äußerste.

Letztlich sah sich die Kammer aufgrund des vorausgegangenen EGMR-Urteils veranlasst, dem Kläger auch eine Geldentschädigung als Ausgleich für die Verletzung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention zuzusprechen.

LG Frankfurt a.M. PM v. 4.8.2011
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