Aufhebung der Kindergeldfestsetzung in Doppelzahlungsfällen
KurzbesprechungEStG § 68 Abs. 1, § 70 Abs. 2
AO § 169 Abs. 1 und Abs. 2, § 171 Abs. 7, § 174 Abs. 2, § 378, § 384
Der Familienleistungsausgleich nach Maßgabe der §§ 31, 62 bis 78 EStG obliegt dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und wird durch die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) als Familienkassen durchgeführt. Diese Dienststellen sind indessen sachlich nicht zuständig, wenn gemäß § 72 EStG eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder die Deutsche Post AG, Deutsche Postbank AG oder Deutsche Telekom AG als Familienkasse das Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes festzusetzen und zu zahlen haben.
Im Streitfall war der Anspruchsberechtigte in den öffentlichen Dienst gewechselt. Durch den Eintritt des Kindergeldberechtigten in den öffentlichen Dienst ändert sich die sachliche Zuständigkeit für die Kindergeldfestsetzung. Im Streitfall hatte die Kindergeldkasse jedoch keine Kenntnis von dem Wechsel, so dass zunächst Kindergeld doppelt gewährt wurde. Streitig war nun, ob die Kindergeldkasse, nachdem ihr dieser Sachverhalt bekannt wurde, zu einer Rückforderung des Kindergeldes berechtigt ist.
Der BFH entschied, dass der Wechsel der sachlichen Zuständigkeit der für die Kindergeldgewährung zuständigen Behörde, d.h. der Übergang der Verpflichtung von einem auf einen anderen Rechtsträger, eine i.S. des § 70 Abs. 2 EStG für den Anspruch auf Kindergeld erhebliche Änderung ist, so dass die Familienkasse im Streitfall die Kindergeldfestsetzung rückwirkend aufheben konnte.
Dem steht nicht entgegen, dass beim Wechsel der sachlichen Zuständigkeit nicht zwingend ein neuer Bescheid ergehen muss, sondern - was im Streitfall allerdings nicht geschehen war - die zuständig gewordene Familienkasse aus Vereinfachungsgründen aufgrund des bisherigen Bescheids leisten kann, wenn sie den Kindergeldberechtigten schriftlich darauf hinweist, dass sie als nunmehr zuständige Familienkasse das Kindergeld in der bisher festgesetzten Höhe unverändert auszahlt und die ursprünglich zuständige Familienkasse sachlich unzuständig geworden ist und deshalb die Kindergeldzahlungen einstellt.
Im Streitfall war die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung auch nicht durch Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO) ausgeschlossen, da der Anspruchsberechtigte nach § 68 Abs. 1 Alternative 1 EStG verpflichtet war, der Familienkasse Veränderungen in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen, dies jedoch nicht erfolgt war und daher durch den zweifachen Bezug von Kindergeld, das als Steuervergütung gewährt wird, nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden. Insoweit lag eine leichtfertige Steuerverkürzung vor mit der Folge, dass sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre verlängerte und sie gemäß § 171 Abs. 7 AO nicht endete, bevor die Verfolgung der Steuerordnungswidrigkeit verjährte. Im Streitfall war sie bei Erlass des Aufhebungsbescheids noch nicht abgelaufen, so dass dieser verfahrenrechtlich zutreffend ergangen war.
BFH, Beschluss vom 6.4.2017 - III R 33/15, veröffentlicht am 23.8.2017.