10.07.2012

Aufsichtsbehördliche Weisung zur Dokumentation notarieller Verwahrungsgeschäfte ist verfassungsgemäß

Für ein Weisungsrecht der Dienstaufsichtsbehörden gegenüber Notaren fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz. Es genügt jedoch den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, wenn den Aufsichtsbehörden im Rahmen ihrer in §§ 92, 93 BNotO geregelten Aufsichtsbefugnisse ein Weisungsrecht gegenüber Notaren zugebilligt wird.

BVerfG 19.6.2012, 1 BvR 3017/09
Der Sachverhalt:
Notare werden als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege in den Ländern bestellt. Der Notar ist gem. § 93 BNotO verpflichtet, den Aufsichtsbehörden Akten, Verzeichnisse und Bücher sowie die in seiner Verwahrung befindlichen Urkunden zur Einsicht vorzulegen und auszuhändigen. Die Notare sind in Notarkammern zusammengeschlossen, denen es insbesondere obliegt, in Richtlinien die Amtspflichten und sonstigen Pflichten ihrer Mitglieder im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und auf deren Grundlage erlassener Verordnungen durch Satzung näher zu bestimmen.

Die Dokumentation notarieller Verwahrungsgeschäfte ist in der von den Landesjustizverwaltungen erlassenen Dienstordnung für Notarinnen und Notare geregelt. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war § 10 der schleswig-holsteinischen DONot. Danach sind für die Verbuchung von empfangenen oder ausgezahlten Fremdgeldern jede Einnahme und jede Ausgabe im Verwahrungsbuch und im Massenbuch einzutragen. Bei bargeldlosem Zahlungsverkehr sind die Eintragungen an dem Tag vorzunehmen, an dem die Kontoauszüge oder die Mitteilung über Zinsgutschriften oder Spesenabrechnungen beim Notar eingehen.

Der Beschwerdeführer, ein in Schleswig-Holstein zugelassener Notar, nahm dagegen die Verbuchung von bargeldlosen Zahlungen unter dem Datum der Gutschrift oder der Abbuchung im Verwahrungs- und im Massenbuch vor. Nachdem er seine Buchungspraxis trotz entsprechender Beanstandung nicht geändert hatte, wurde er angewiesen, die einschlägigen Buchungen entsprechend § 10 Abs. 3 DONot durchzuführen, mit dem Hinweis, dass erneute Verstöße zu dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen führen müssten.

OLG und BGH wiesen die hiergegen gerichteten Rechtsmittel ab. Der Beschwerdeführer sah sich dadurch in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt, weil die Dienstordnung für Notarinnen und Notare und die gegen ihn auf dieser Grundlage ergangene Weisung nicht von einer gesetzlichen Grundlage getragen seien und daher nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG genügten. Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde allerdings als unbegründet zurück.

Die Gründe:
Der der Beschwerdeführer  wurde durch die angegriffene Weisung und die sie bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen nicht in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt.

Die von dem Beschwerdeführer angegriffene Weisung und die ihr zugrunde liegende allgemeine Vorschrift in § 10 Abs. 3 S. 1 DONot waren weder der Form noch dem Inhalt nach verfassungsrechtlich zu beanstanden. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Weisung als Mittel der Dienstaufsicht als auch hinsichtlich des Inhalts der Weisung.

Für ein Weisungsrecht der Dienstaufsichtsbehörden gegenüber Notaren fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz. Es genügt jedoch den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, wenn den Aufsichtsbehörden im Rahmen ihrer in §§ 92, 93 BNotO geregelten Aufsichtsbefugnisse ein Weisungsrecht gegenüber Notaren zugebilligt wird. Aufgrund der Nähe staatlich gebundener Berufe zum öffentlichen Dienst müssen es die Notare hinnehmen, dass für sie die Wirkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit durch Sonderregelungen zurückgedrängt werden, und das Weisungsrecht zählt zu den typischen Instrumentarien der öffentlichen Aufsicht.

In materieller Hinsicht bestehen gegen das Mittel der Weisung als solches weder in der Form einer Einzelweisung noch in der Form der allgemeinen Weisung verfassungsrechtliche Bedenken. In beiden Fällen dient die Weisung vernünftigen Gründen des Gemeinwohls, nämlich der Aufsicht über die notarielle Amtsführung und damit der demokratischen und rechtsstaatlichen Rückbindung eines außerhalb der staatlichen Verwaltungsorganisation stehenden Amtsträgers sowie der Sicherung eines ordnungsgemäßen Handelns im Bereich der staatlichen Aufgabe zur vorsorgenden Rechtspflege.

Die Regelung zum Buchungsdatum ist, wenn überhaupt, nur mit einer geringen Mehrbelastung gegenüber anderen Arten der Buchführung verbunden. Die allgemeine Weisung in § 10 Abs. 3 S. 1 DONot verstößt auch nicht deshalb gegen höherrangiges Recht, weil dadurch eine Amtspflicht auferlegt wird, deren Begründung nach der Konzeption der Bundesnotarordnung den Notarkammern vorbehalten wäre. Es entspricht der Nähe des Notarberufs zum öffentlichen Dienst, dass die unmittelbare staatliche Aufsicht über die notarielle Amtsführung schon angesichts der fortbestehenden Verantwortung des Staates nicht vollständig durch die Kompetenzen einer Selbstverwaltungskörperschaft verdrängt werden kann.

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BVerfG PM Nr. 49 vom 5.7.2012
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