21.07.2014

Augenverletzung: Mutter haftet wegen Aufsichtspflichtverletzung bei Umgang des Sohnes mit Softair-Pistole

Eine Mutter haftet wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht, wenn beim Spiel ihres Sohnes mit Softair-Pistolen ohne entsprechende Schutzbrillen ein anderes Kind am Auge verletzt wird. Jedenfalls bei Kindern unter 14 Jahren ist es erforderlich, dass die Sorgeberechtigten eine umfassende Kontrolle über den Einsatz der Softair-Waffen behalten und dabei insbes. gewährleisten, dass zeitnah eingegriffen werden kann, wenn sich während des Spiels - etwa durch übersteigerten Wettkampf- oder Jagdeifer - besondere Gefahren ergeben.

OLG Oldenburg 17.7.2014, 1 U 3/14
Der Sachverhalt:
Vier Kinder im Alter zwischen 10 und 13 Jahren spielten am 11.8.2010 zusammen auf einem Parkplatz. Der Sohn der allein sorgeberechtigten Beklagten und ein weiteres Kind hatten Softair-Pistolen dabei und trugen Schutzbrillen. Die beiden anderen Kinder, u.a. der Kläger hatten einen solchen Schutz nicht. Bei einem vom Sohn der Beklagten abgegebenen Schuss wurde der Kläger am linken Auge verletzt. Er erlitt durch das Geschoss eine schwere Verletzung am linken Auge.

Ein Sachverständiger stellte fest, dass durch die Verletzungen das linke Auge lichtempfindlicher geworden ist. Dies kann im Alter zu chronischen Bindehaut-Rötungen führen. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer in 10 bis 20 Jahren eintretenden vorzeitigen Linsentrübung, die eine sodann risikoreichere graue Star-Operation zur Folge haben kann. Schließlich kann die Eignung für bestimmte Berufe, beispielsweise im Flugverkehr und in der Seefahrt eingeschränkt sein.

Das LG gab der auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung einer Schadensersatzpflicht - auch für in Zukunft eintretende Schäden - gerichteten Klage statt. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Beklagte hat ihre Aufsichtspflicht verletzt. Sie haftet daher zu 100 Prozent für den entstandenen und noch entstehenden Schaden.

Bei Softair-Pistolen handelt es sich um Gegenstände mit deutlich erhöhtem Gefahrenpotenzial. Auch wenn regelmäßig keine lebensgefährlichen Verletzungen drohen, können nicht unerhebliche Verletzungen an empfindlichen Körperteilen verursacht werden. Zudem kann sich gerade bei Jugendlichen ein übersteigerter "Jagdeifer" entwickeln, der u.U. zu einem gefährlichen, unüberlegten und exzessiven Einsatz solcher "Spielzeugwaffen" führt. Jedenfalls bei Kindern unter 14 Jahren ist es daher erforderlich, dass die Sorgeberechtigten eine umfassende Kontrolle über den Einsatz der Softair-Waffen behalten. Es muss insbes. gewährleistet sein, dass zeitnah eingegriffen werden kann, wenn sich während des Spiels besondere Gefahren ergeben.

Dieser umfassenden Aufsichtspflicht ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen. Abgesehen von einer angeblich erfolgten allgemeinen Ermahnung, die Softair-Pistole nur nach Anlegung des dafür vorgesehenen Gesichts- bzw. Augenschutzes einzusetzen und auf solche Schutzmaßnahmen auch bei anderen Spielteilnehmern zu bestehen, hat die Mutter ihren Sohn weitgehend unkontrolliert schalten und walten lassen. Dabei musste ihr klar sein, dass ihr Sohn diese Anweisungen nur schwer gegenüber anderen Kindern durchsetzen konnte, wenn diese auch gerne an dem aus ihrer Sicht faszinierenden Spiel teilnehmen wollten, gleichwohl aber über keine Schutzausrüstung verfügten.

Ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden des verletzten Kindes war nicht anzunehmen. Das Kind wusste zwar, dass das Spiel mit der Softair-Pistole gefährlich war. Es schützte sich deshalb auch in einer bereits zuvor erlebten Spielsituation mit einer Kiste. Die Aufsichtspflichtverletzung der Mutter ist aber von einem solchen Gewicht, dass das Verhalten des geschädigten Kindes sich nicht erheblich auswirkt. Die entscheidende, maßgebende Ursache für die Schädigung des Klägers wurde durch den Sohn der Beklagten gesetzt und von einer schwerwiegenden schuldhaften Pflichtverletzung der Mutter verursacht.

Neben dem Ausgleich für die bereits erlittenen Schäden muss die Mutter auch künftig damit rechnen, vom verletzten Kind in Anspruch genommen zu werden. Der Senat stellte fest, dass - im Hinblick auf die in Zukunft drohenden Beeinträchtigungen - auch künftig eintretende Schäden von der Mutter zu ersetzen sind.

OLG Oldenburg PM vom 18.7.2014