16.01.2013

Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ist verfassungsgemäß

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen hat. Die Belastung der Versicherten mit Zusatzkosten steht in angemessenem Verhältnis zu dem unter anderem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämmen.

BVerfG 12.12.2012, 1 BvR 69/09
Der Sachverhalt:
Der heute knapp 80-jährige Beschwerdeführer ist gesetzlich krankenversichert und leidet an einer chronischen Atemwegserkrankung. Der Hausarzt behandelt ihn dauerhaft mit einem nicht verschreibungspflichtigen Medikament, das sich seit 2004 nicht mehr im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung befindet. Dadurch entstehen dem Beschwerdeführer angeblich monatlich Kosten von 28,80 €.

Die Krankenkasse lehnte die beantragte Kostenübernahme trotz ärztlicher Verschreibung ab. Die Klage hiergegen blieb in allen Instanzen erfolglos. Der Beschwerdeführer rügte die Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 34 Abs. 1 S. 1 SGB V. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

Die Gründe:
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen hat.

Die Belastung der Versicherten mit Zusatzkosten steht in angemessenem Verhältnis zu dem unter anderem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämmen. Chronisch Kranken wird kein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit, hier der gesetzlichen Krankenversicherung, auferlegt. Ungleich behandelt werden Versicherte, die verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen, und Versicherte, die nicht verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen. Die Verschreibungspflicht knüpft an die Art des Medikaments an, so dass davon auszugehen ist, dass fast alle Versicherten zu beiden Gruppen gehören. Der Gesetzgeber unterliegt insofern keiner strengen Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG.

Ob ein Medikament verschreibungspflichtig ist oder nicht, entscheidet sich in erster Linie am Maßstab der Arzneimittelsicherheit. Verschreibungspflichtige Arzneimittel sind stark wirksame Arzneimittel, von denen eine Gesundheitsgefährdung ausgeht, wenn sie ohne ärztliche Überwachung eingenommen werden. Von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geht diese Gefährdung nicht aus. Der Gesetzgeber bedient sich somit eines Kriteriums, das primär die Funktion hat, die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, auch mit dem Ziel, die finanzielle Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung zu steuern. Insofern ist das Kriterium zwar nicht zielgenau. Es ist aber auch nicht sachwidrig, sondern zur Dämmung der Kosten im Gesundheitswesen erforderlich und auch geeignet.

Letztlich ist die Differenzierung auch im engeren Sinne verhältnismäßig, denn die Belastung mit den Zusatzkosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente steht in einem angemessenen Verhältnis zu den vom Gesetzgeber mit dieser Differenzierung verfolgten Zielen. Da das hier in Rede stehende Medikament ohne ärztliche Verschreibung erhältlich ist und zur Gruppe der Medikamente mit typischerweise geringem Preis gehört, ist es dem Versicherten grundsätzlich zumutbar, die Kosten hierfür selbst zu tragen.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 2 vom 16.1.2013