22.07.2011

Austauschpfändung eines nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Kfz nur bei annähernd gleicher Haltbarkeit und Lebensdauer der beiden Kfz

Die Austauschpfändung eines nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Kfz ist nur zulässig, wenn das Ersatzstück eine annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie das gepfändete Fahrzeug aufweist. Das ist dann nicht der Fall, wenn das gepfändete Kfz neun Jahre alt ist mit einer Laufleistung von 50.000 km, das Ersatzstück dagegen 19 Jahre alt mit einer Laufleistung von 200.000 km.

BGH 16.6.2011, VII ZB 114/09
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung von rd. 46.000 € gegen die Schuldnerin. Die Schuldnerin ist im Besitz eines Audi TT 1,8 T Roadster/Cabrio, Baujahr 2000, mit einem Händlerverkaufswert von 12.300 €. Mit diesem Fahrzeug legt sie die Wegstrecke zwischen ihrem Wohnort und ihren Arbeitsstellen in den M.-K.-Kliniken mit Dienstorten in S. und G. zurück, wo sie als Krankenschwester im Schichtdienst arbeitet.

Die Gläubigerin ließ das Fahrzeug im Mai 2008 durch den Gerichtsvollzieher pfänden. Mit Schreiben von März 2009 beantragte sie, eine Austauschpfändung mit der Maßgabe zuzulassen, dass der gepfändete Pkw auszutauschen ist gegen den Pkw Volkswagen Golf II 1,3 G-Kat, Baujahr 1990. Dieses Fahrzeug weist laut TÜV-Bericht vom April 2008 einen Kilometerstand von ca. 200.000 und oberflächliche Verrostungen an der Hinterachse auf und hat "überalterte" Reifen.

Die Rechtspflegerin beim AG erklärte die Austauschpfändung für zulässig. Die sofortige Beschwerde blieb vor dem LG ohne Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin hob der BGH die Beschlüsse von AG und LG auf und wies den Antrag auf Austauschpfändung zurück. Im Übrigen wurde die Sache zur Entscheidung über den Hilfsantrag auf Zulassung der Austauschpfändung nach § 811a Abs. 1 S. 1 2. Alt. ZPO an das AG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Zwar ist die Ansicht des LG zurtreffend, die Schuldnerin könne sich auf die Unpfändbarkeit des Kraftfahrzeuges Audi TT berufen, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, weil sie das Fahrzeug für ihre Fahrten zur Arbeitsstelle benutze und hierauf zur Erzielung von Einkünften angewiesen sei. Entgegen der Auffassung des LG genügt das Ersatzstück jedoch nicht dem geschützten Verwendungszweck der Fortführung der Erwerbstätigkeit, § 811a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.

Bei Fahrzeugen, die dem Schuldner das Erreichen seines Arbeitsplatzes am Dienstort ermöglichen, ist ein Austausch nach § 811a Abs. 1 ZPO grundsätzlich möglich. Ein höherwertiges Fahrzeug kann in der Regel gegen einen einfachen Pkw ausgetauscht werden. Er muss lediglich dem geschützten Verwendungszweck nach seiner Ausgestaltung genügen, er muss jedoch nicht von gleicher Art und Güte sein. Allerdings ist dem Schutzzweck des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nur dann genüge getan, wenn die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit auch zukünftig und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum gewährleistet ist. Der Schutz des Schuldners nach § 811 ZPO wäre unvollkommen, wenn das Ersatzstück nicht die annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie der gepfändete Gegenstand aufweisen würde.

Nach den Feststellungen des LG kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Haltbarkeit und die Lebensdauer des Ersatzstücks der des gepfändeten Gegenstandes annähernd gleich kommt. Der Audi der Schuldnerin war im Zeitpunkt der Austauschpfändung neun Jahre alt, das Ersatzstück VW Golf war 19 Jahre alt. Der Audi besaß eine Laufleistung von ca. 50.000 km, der Golf eine solche von 200.000 km. Zudem waren die Reifen des Golfs überaltert und die Hinterachse angerostet. Die Zusage des Zeugen V, neue Reifen aufzuziehen, muss mangels Rechtserheblichkeit außer Betracht bleiben, da der Zeuge am Zwangsvollstreckungsverfahren nicht beteiligt ist. Es liegt daher mangels vergleichbarer Haltbarkeit kein Ersatzstück vor, das geeignet wäre, den durch das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschützten Verwendungszweck zu erfüllen.

Die angefochtenen Beschlüsse waren daher aufzuheben und der Antrag der Gläubigerin auf Zulassung der Austauschpfändung mit dem angebotenen Ersatzstück VW Golf II ist zurückzuweisen. Das AG wird nunmehr über den hilfsweise gestellten Antrag auf Zulassung der Austauschpfändung nach § 811a Abs. 1 S. 1 2. Alt. ZPO durch Überlassung des zur Beschaffung eines Ersatzstückes erforderlichen Geldbetrages entscheiden müssen.

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