24.06.2019

Banner am Haus: Beschwer des Vermieters richtet sich nach Wertverlust durch Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks

Wird der Vermieter einer Wohnung verurteilt, die Anbringung eines Transparents, Plakats oder Banners durch den Mieter an der Fassade des Hauses zu dulden, richtet sich die Beschwer des Vermieters nach dem Wertverlust, den er durch die Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet. Zudem ist bei der Bemessung der durch die Eigentumsstörung verursachten Beschwer des Vermieters zu berücksichtigen, ob der Text des Transparents, Banners oder Plakats den Eindruck erwecken kann, der Vermieter missachte Mieterinteressen.

BGH v. 21.5.2019 - VIII ZB 66/18
Der Sachverhalt:
Die Kläger mieteten im Jahr 2011 eine Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses F-Straße in Berlin. Im Erdgeschoss befand sich ein sog. Kiezladen namens "F". Im Oktober 2015 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Mietverhältnis mit dem Betreiber des Kiezladens. Daraufhin hängten die Kläger und andere Mieter Transparente an der Außenfassade des Hauses auf, um sich mit den Belangen des Kiezladens zu solidarisieren. Die Kläger brachten ein vier Meter breites und 1,50 Meter hohes Transparent mit Schnüren am straßenseitigen Balkon der von ihnen gemieteten Wohnung an. Auf dem Transparent war u.a. Folgendes zu lesen: "Wir bleiben alle! Soziale und widerständige Orte schaffen und erhalten."

Im Juni 2016 erwarb die Beklagte - eine in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft - die Immobilie. Die Beklagte erwirkte einen Räumungstitel gegen den Betreiber des Kiezladens. Nach der Räumung, die Ende Juni 2017 stattfand, forderte die Beklagte die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 5.7.2017 auf, das Transparent zu entfernen. Daraufhin hängten die Kläger es ab. Sie begehren nunmehr, das Transparent erneut anbringen zu dürfen, und haben beantragt, die Beklagte zur Duldung der Befestigung des Transparents am Balkon der gemieteten Wohnung zu verurteilen.

Das AG gab der Klage statt. Den Gebührenstreitwert setzte es auf 500 € fest und führte zur Begründung das "Interesse der Kläger an der konkreten Handlung" an. Gegen das Urteil des AG legte die Beklagte fristgemäß Berufung ein. Nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss verwarf das LG die Berufung durch den angefochtenen Beschluss gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) sei nicht erreicht. Unstreitig werde die Bausubstanz des Hauses nicht beschädigt. Zudem habe die Beklagte die Immobilie bereits mit Fassadenaufschriften sowie mit dem Transparent der Kläger erworben. Damit habe die Beklagte das Risiko übernommen, die Immobilie nicht ohne Weiteres oder nur mit einem geringeren Gewinn weiterveräußern zu können.

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das LG hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Der angefochtene Verwerfungsbeschluss beruht auf Rechtsfehlern des LG bei der Bemessung des Wertes des von der Beklagten geltend gemachten Beschwerdegegenstandes. Das insoweit maßgebliche Interesse der Beklagten an der Abänderung des angefochtenen Urteils übersteigt die Wertgrenze von 600 €.

Das LG hat bei der Bemessung der Beschwer der Beklagten in sachwidriger Weise darauf abgestellt, die Eigentumsstörung, deren Beseitigung die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel erstrebt, habe schon im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs bestanden. Wird der Vermieter einer Wohnung verurteilt, die Anbringung eines Transparents, Plakats oder Banners durch den Mieter an der Fassade des Hauses zu dulden, richtet sich die Beschwer des Vermieters nach dem Wertverlust, den er durch die Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet. Zwar wird im gegebenen Fall die Substanz des Hauses nicht beeinträchtigt. Jedoch hat das LG verkannt, dass durch das großflächige und auffällig an der straßenseitigen Fassade angebrachte Transparent eine schwerwiegende optische Beeinträchtigung bewirkt wird, die bereits für sich genommen mit einem Betrag deutlich über dem Beschwerdewert von 600 € zu bewerten ist.

Zudem kann der Text des Transparents den Eindruck erwecken, der Grundstückseigentümer missachte Mieterinteressen; auch dies kann bei der Bemessung der durch die Eigentumsstörung verursachten Beschwer nicht unberücksichtigt bleiben. Die Begründung des LG, die Beschwer der Beklagten durch die erstinstanzliche Verurteilung zur Duldung des Transparents sei deshalb als gering zu bewerten, weil es schon im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch die Beklagte an der Fassade befestigt gewesen sei, ist bereits im Ansatz nicht nachvollziehbar. Denn die Bemessung der Beschwer eines Rechtsmittelführers durch das angefochtene Urteil hat rein nach seinem Rechtsschutzziel zu erfolgen; materiell-rechtliche Gesichtspunkte haben insoweit außer Betracht zu bleiben.

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