20.06.2016

Baulärm kann zur Mietminderung berechtigen

Die Minderung von Miete für eine Wohnung, die nach dem Einzug des Mieters von erheblichen Bauimmissionen auf einem Nachbargrundstück betroffen war, ist für die Dauer der Baumaßnahmen gerechtfertigt. Zwar sind gerade in Großstädten Baumaßnahmen nicht unüblich, doch selbst in Berlin ist die ganz überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen von solchen Beeinträchtigungen nicht betroffen.

LG Berlin 16.6.2016, 67 S 76/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit dem Jahr 2000 Mieterin einer in Berlin-Mitte gelegenen Wohnung der Beklagten. Zu jener Zeit war in der Nachbarschaft eine mit Bäumen bewachsene Baulücke vorhanden gewesen. Zwischen 2013 und 2015 wurden auf dem Grundstück dann eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet. Dadurch kam es zu erheblichen Baulärm.

Die Klägerin verlangte daraufhin knapp 950 € - was gut 20 % der bereits an die Beklagte gezahlten vollen Miete für die Monate Juni 2014 bis März 2015 entsprach - zurück. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Das AG wies die Klage bis auf einen geringen Teilbetrag ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das LG die Entscheidung auf und gab der Klage statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin durfte wegen der Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende) die Miete mindern. Die Höhe von geringfügig mehr als 20 % war angesichts der Beeinträchtigungen durchaus angemessen.

Bei Vertragsschluss hatten die Mietvertragsparteien stillschweigend vereinbart, dass die Wohnung den üblichen Mindeststandard, der auch ein gesundheitlich unbedenkliches Wohnen gewährleistet, einhält. Zwar sind gerade in Großstädten Baumaßnahmen nicht unüblich, doch selbst in Berlin ist die ganz überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen von solchen Beeinträchtigungen nicht betroffen. Der konkludent vereinbarte Standard war hier während der Bauphase bei Weitem unterschritten worden. Auch der Umstand, dass der Vermieter über keine rechtlichen Möglichkeiten verfügte, die Beeinträchtigungen abzuwehren oder von dem Nachbarn eine Entschädigung zu verlangen, änderte nichts an dieser Einschätzung.

Die sog. "Bolzplatzentscheidung" des BGH vom 29.4.2015 (Az.: VIII ZR 197/14) war nicht einschlägig. Danach sind zwar unter bestimmten Voraussetzungen zu Lasten des Mieters nach Vertragsschluss auftretende Immissionen nicht zu berücksichtigen. Jedoch hatte der BGH damals den Vertrag ergänzend ausgelegt. Hier war jedoch  eine ergänzende Vertragsauslegung nicht zulässig, da die Parteien stillschweigend vereinbart hatten, dass keine erheblichen und die Gesundheit beeinträchtigenden Bauimmissionen auftreten würden. Zudem hatte es sich in jenem Fall um eine dauerhafte Veränderung des Wohnumfeldes gehandelt, während es hier um eine nur vorübergehende Veränderung ging.

Der Klägerin konnte auch nicht vorgeworfen werden, sie habe die Möglichkeit der Bauimmissionen grob fahrlässiger übersehen und deshalb das Recht zur Minderung verloren. Zwar war bei Mietvertragsschluss die Baulücke bereits vorhanden. Doch wenn die Klägerin damals an eine spätere Bebauung nicht gedacht hatte, so konnte ihr später allenfalls einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Dies reicht allerdings nicht für einen Gewährleistungsausschluss aus.

LG Berlin PM vom 17.6.2016
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