Baulast gegenüber der Baubehörde kann Grundstücksnutzung durch Nachbarn rechtfertigen
OLG Hamm 6.7.2017, 5 U 152/16Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Wohnungseigentumsanlagen in Haltern am See. Im hinteren Teil des Grundstücks der Beklagten sind Stellplätze angelegt, die über einen Weg angefahren werden, der im Eigentum der Kläger steht. Voreigentümer der Kläger hatten gegenüber der Stadt Haltern eine Baulast begründet, nach welcher sie das Wegegrundstück als Zufahrt für das Nachbargrundstück zur Verfügung zu stellen hatten. Ein zwischen den Parteien des Rechtsstreits zivilrechtlich begründetes Wegerecht existiert nicht.
Nachdem es zu Streitigkeiten zwischen den Klägern und einem der Beklagten mit tätlichen Auseinandersetzungen gekommen war, untersagten die Kläger allen Beklagten die Nutzung der Wegeparzelle. Im Wege der zivilrechtlichen Klage verlangen sie nun von allen Beklagten, es zu unterlassen, das Wegegrundstück zum Gehen oder Fahren zu nutzen.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Kläger änderte das OLG das Urteil dahingehend ab, dass es den Beklagten, mit dem es die tätlichen Auseinandersetzungen gab, zur Unterlassung der infrage stehenden Grundstücksnutzung verurteilte. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Den Klägern steht nur bezüglich des an der tätlichen Auseinandersetzung beteiligten Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Grundstücks zum Gehen oder Fahren nach § 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 903 BGB zu; im Hinblick auf die übrigen Beklagten sind die Kläger hingegen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Duldung der Nutzung verpflichtet.
Die übrigen Beklagten sind berechtigt, das Wegegrundstück weiterhin zu benutzen, um zu den Stellplätzen ihrer Wohnungseigentumsanlage zu gelangen. Die Kläger sind verpflichtet, das Gehen und Fahren der übrigen Beklagten über ihr Wegegrundstück zu dulden. Zwar begründet die von den Rechtsvorgängern der Kläger übernommene Baulast eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Haltern. Sie beinhaltet grundsätzlich kein zivilrechtliches Nutzungsrecht des Eigentümers des begünstigten Grundstücks. Dieser kann allerdings einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch des Eigentümers des Wegegrundstücks den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenhalten.
Wenn sich jemand gegenüber der Baubehörde verpflichtet, seinem Nachbarn ein Nutzungsrecht zu gewähren, liegt es nahe, dass er auch zivilrechtlich keine Handlungen vornehmen darf, die den Nachbarn an der Ausübung gerade dieses Rechts hindert. Dies gilt jedenfalls, solange es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Baubehörde die Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten wird.
Die Baulast sollte vorliegend sicherstellen, dass die Beklagten die rückwärtigen Stellplätze ihrer Wohnungseigentumsanlage erreichen und so die bauordnungsrechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen vorhalten können. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baubehörde diese Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten will. Bei dieser Sachlage verletzen die Kläger mit ihrem Unterlassungsbegehren nicht nur ihre Verpflichtung aus der Baulast gegenüber der Behörde, sondern hindern zugleich die Beklagten an der Ausübung ihrer der Baulast entsprechenden Wegerechte. Das ist in Bezug auf die Beklagten, die mit den Klägern keine Auseinandersetzung geführt haben, treuwidrig.
Auf dieses treuwidrige Verhalten der Kläger kann sich allerdings der Beklagte, mit dem sich die Kläger tätlich auseinandergesetzt haben, aufgrund seines eigenen treuwidrigen Verhaltens nicht berufen. Ihm gegenüber ist das Unterlassungsbegehren der Kläger daher begründet.
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