18.04.2012

Bei Zahlungsansprüchen infolge von Nachbarrechtsstreitigkeiten ist keine vorherige Streitschlichtung nötig

Zahlungsansprüche infolge von Nachbarrechtsstreitigkeiten unterliegen in NRW nicht der obligatorischen Streitschlichtung nach § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO und § 10 Abs. 1 Nr. 1a GüSchlG NRW (= § 53 Abs. 1 Nr. 1a JustG NRW). Ein Schlichtungsversuch vor der Erhebung der Klage zu den ordentlichen Gerichten ist vielmehr für andere Streitigkeiten über Ansprüche aus den in § 906 BGB geregelten Einwirkungen vorgeschrieben.

BGH 2.3.2012, V ZR 169/11
Der Sachverhalt:
Die Kläger verlangten von der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB Geldausgleich für einen durch Hausschwamm entstandenen Schaden an ihrem an der Grundstücksgrenze stehenden Fachwerkhaus. Die Beklagte soll auf ihrem Grundstück Erdreich so abgelagert haben, dass es an der mit Schiefer verkleideten Wand des Fachwerkhauses anliegt und Feuchtigkeit in diese Wand leitet. Die Kläger hatten nach dem Scheitern einer außergerichtlichen Einigung ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt und anschließend ohne vorheriges Güteverfahren nach der damals geltenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchl NRW (heute: § 53 JustG NRW) Klage erhoben.

Das LG verurteilte die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 49.208 €; das OLG wies die Klage als unzulässig ab. Es war der Ansicht, in NRW seien Klagen aus § 906 BGB gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a GüSchlG NRW (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1a JustG NRW) nur nach einem vorausgegangenen Schlichtungsverfahren zulässig. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG ist eine Klage auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs in Geld in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, um die es hier ging, keine Streitigkeit wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a GüSchlG NRW.

Das konnte sich schon daraus ergeben, dass die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber wörtlich in das Landesrecht übernommen hatte, nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, aber keine Zahlungsansprüche erfasst. Ob das der Fall ist, ist umstritten, musste im vorliegenden Fall allerdings nicht entschieden werden.

Mit § 10 Abs. 1 Nr. 1a GüSchlG NRW (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1a JustG NRW) wird ein Schlichtungsversuch vor der Erhebung der Klage zu den ordentlichen Gerichten nicht für Zahlungsklagen, sondern nur für andere Streitigkeiten über Ansprüche aus den in § 906 BGB geregelten Einwirkungen vorgeschrieben. Diese Einschränkung findet allerdings im Wortlaut sowohl des hier noch maßgeblichen § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW als auch des heute geltenden § 53 Abs. 1 JustG NRW keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber zwingend aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Senat hat das für die wortgleiche Vorschrift des hessischen Landesrechts entschieden (Az.: V ZR 69/08). Der BGH ist, ohne das näher auszuführen, für das Land NRW von einer übereinstimmenden Rechtslage ausgegangen (Az.: VI ZR 221/07).

Die Erwägung des OLG, der Gesetzgeber des Landes NRW verstehe seine mit der hessischen Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1a hess. SchlichtG wörtlich übereinstimmende Regelung anders als jene, traf nicht zu. Die Rechtslage in NRW ist bei den Zahlungsklagen nicht anders als die in Hessen. Unerheblich war, dass der Gesetzgeber in NRW, anders als der des Landes Hessen, bei dieser Gelegenheit eine obligatorische Streitschlichtung auch für Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingeführt hatte. Infolgedessen setzte die Erhebung der Klage nicht die Durchführung eines Schlichtungsversuchs voraus. Die Klage durfte nicht als unzulässig abgewiesen werden.

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