Beitrittsaufforderung an das BMF: Nachträgliche Anschaffungskosten bei Gesellschaftereinlagen "in letzter Minute"
KurzbesprechungEStG § 17
AO § 42
Streitig war die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungsverlusts nach § 17 EStG. Der Steuerpflichtige war an einer GmbH beteiligt, die zum Ende des Jahres 2009 ihren Geschäftsbetrieb einstellte und ihr gesamtes Anlagevermögen sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und unfertige Erzeugnisse veräußerte. An der GmbH waren letztlich der Steuerpflichtige und seine drei Brüder beteiligt.
Im Zeitraum zwischen Juni und November 2010 leisteten der Steuerpflichtige und seine drei Brüder - jeweils in gleicher Höhe - Zuführungen in die Kapitalrücklage der GmbH in Höhe von insgesamt 281.800 €, um eine ansonsten drohende Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Nachdem die Bank Ende 2010 einen Teilverzicht auf ihre gegenüber der GmbH bestehenden Forderungen in Aussicht gestellt hatte, zahlte die GmbH an die Bank einen Betrag von insgesamt 275.000 €. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14.12. 2010 veräußerten der Steuerpflichtige und seine Brüder schließlich ihre Anteile an der GmbH zu einem Kaufpreis von 0 EUR an die I-GmbH, an der u.a. der Steuerpflichtige beteiligt war.
Streitig war nun die weitere Zuführung in die Kapitalrücklage in Höhe von insgesamt 275.000 €. Das FG wies die Klage ab und entschied, die Zuführung habe wirtschaftlich betrachtet der Ablösung der von Gesellschafterseite gewährten Sicherheiten gedient. Soweit die Zahlung der GmbH an die Bank der Ablösung der Grundschuld gedient habe, seien dem Steuerpflichtigen bereits deshalb keine nachträglichen Anschaffungskosten entstanden, weil ihm zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die GmbH zugestanden habe. Soweit die Zahlung an die Bank zur Ablösung der vom Steuerpflichtigen zuvor gewährten Bürgschaft erfolgt sei, seien im Streitfall die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts weiterhin anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen sei davon auszugehen, dass die Bürgschaft des Steuerpflichtigen erst durch "Stehenlassen" bei Kriseneintritt im Jahr 2008 eigenkapitalersetzend geworden sei und daher die Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen sei. Nach Auffassung des FG könne im Ergebnis offenbleiben, ob dieser Rückgriffsanspruch bei Kriseneintritt überhaupt noch werthaltig gewesen sei. Jedenfalls fehlten Anhaltspunkte dafür, dass sich hieraus weitere nachträgliche Anschaffungskosten ergeben könnten, die die vom FA bereits anerkannten Anschaffungskosten übersteigen.
Der Steuerpflichtige macht im Revisionsverfahren geltend, die Einzahlungen in die Kapitalrücklage durch die Gesellschafter seien als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen, unabhängig davon, dass die GmbH sie zur Tilgung ihrer Bankverbindlichkeiten und damit gleichzeitig zur Ablösung der Gesellschaftersicherheiten verwendet habe.
Der IX. Senat des BFH nimmt den Streitfall zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob Zuzahlungen, die der Gesellschafter in das Eigenkapital leistet und die bei der Kapitalgesellschaft als Kapitalrücklage auszuweisen sind (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB), bei diesem in jedem Fall und zu jedem denkbaren Zeitpunkt zu - nachträglichen - Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB führen und mithin im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind und ob solche Zuzahlungen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) darstellen könnten. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, das BMF an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und hat das BMF daher zum Verfahrensbeitritt aufgefordert (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO).
BFH, Urteil vom 11.10.2017, IX R 5/15, veröffentlicht am 15.11.2017.