Berliner Mietspiegel 2015 kann als einfache Schätzungsgrundlage herangezogen werden
LG Berlin 31.8.2016, 65 S 197/16Die Klägerin ist Eigentümerin eines 18-geschossigen Wohngebäudes mit 506 Wohnungen in Berlin-Kreuzberg. Der Beklagte ist Mieter in einer der Wohnungen. Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Sie möchte die bisherige monatliche Nettokaltmiete von 385,51 € (entsprechend 5,11 €/qm) auf 443,34 € (entsprechend 5,88 €/qm) anheben. Der Beklagte erteilte die Zustimmung nicht. Mit ihrer Klage will die Klägerin durchsetzen, dass die Nettokaltmiete dennoch entsprechend erhöht wird.
Das AG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LG keinen Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von bisher 385,51 € (5,11 €/qm) auf 443,34 € (5,88 €/qm) aus § 558 Abs. 1 BGB. Die aktuell vereinbarte Miete übersteigt bereits die ortsübliche Vergleichsmiete, deren Höhe das AG im Ergebnis zutreffend auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2015 ermittelt hat.
Der Gesetzgeber wollte mit der Mietrechtsreform 2001 den Schwierigkeiten der Gerichte, die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete festzustellen, Rechnung tragen. Danach sollten Kommunen zwischen zwei Mietspiegeln wählen können: zwischen dem sog. "einfachen" Mietspiegel, der als kostengünstiges und flexibles Instrument erhalten bleiben sollte, und dem sog. "qualifizierten" Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wird, um das Mieterhöhungsverfahren stärker zu objektivieren. Der einfache Mietspiegel sollte hierdurch jedoch nicht in seiner Bedeutung eingeschränkt werden. Der BGH hat mehrfach bestätigt, dass ein Mietspiegel, der nicht nach besonderen wissenschaftlichen Maßstäben erstellt worden ist und damit nicht als qualifizierter Mietspiegel gilt, zumindest als einfacher Mietspiegel herangezogen werden kann. Das Gericht darf seine Überzeugung von der ortsüblichen Miete demnach auf dieser Grundlage bilden. Allerdings muss sich das Gericht dann mit qualifizierten Einwänden der Parteien gegen dessen Richtigkeit auseinandersetzen.
Die vorliegend von von der Klägerin vorgebrachten Bedenken gegen den Berliner Mietspiegel 2015 sind jedoch unbegründet. Der (einfache) Mietspiegel wurde von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt und von den meisten anerkannt. Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels können sich nur dann ergeben, wenn konkrete Tatsachen behauptet werden, aus denen sich ergibt, dass sich die Interessenvertreter von sachfremden Erwägungen leiten lassen haben oder dass der Mietspiegel auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial beruht. Derartige Einwendungen hat die Vermieterin vorliegend nicht hinreichend vorgetragen, zumal für den Berliner Mietspiegel die Umstände der Datensammlung detailliert dokumentiert wurden und dadurch die Schwelle erhöht wird, seine Indizwirkung zu erschüttern. Dass hier keine Daten aus dem betroffenen 18-geschossige Wohngebäude mit 506 Wohnungen erhoben wurden, ist angesichts der Auswahl aus mehr als einer Million Wohnungen in Berlin statistisch unbeachtlich.
Aus den Dokumentationen zu der Erstellung des Mietspiegels ergibt sich i.Ü., dass die in laufenden Gerichtsverfahren erhobene Kritik gegen die Qualifikation des Mietspiegels intensiv diskutiert wurde. Dennoch wurde der Mietspiegel nachfolgend von fast allen Beteiligten anerkannt. Die von der Vermieterin im vorliegenden Prozess über einen Privatgutachter erhobenen Einwände gehen über Vermutungen nicht hinaus. Schließlich gebieten es auch die Interessen der Parteien, davon abzusehen, teure und zeitaufwändige Sachverständigengutachten einzuholen. Dies gilt umso mehr, als nicht ersichtlich ist, dass ein Sachverständigengutachten zu besseren Erkenntnissen führen würde als ein (einfacher) Mietspiegel. Das eingereichte Privatgutachten umfasst elf Vergleichswohnungen, davon zwei aus dem Bestand der Vermieterin. Dagegen liegen für das hier maßgebliche Feld G4 des Mietspiegels 190 Werte zugrunde.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten der Berliner Justiz veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier (pdf-Dokument).