Bestimmung des Kindergeldberechtigten
KurzbesprechungEStG § 64, § 67
AO § 37 Abs. 2
Im Streitfall ging es um den Vater eines am 18.3. 2005 geborenen Kindes. Die Kindsmutter ist seine frühere Ehefrau. Bis zum 23.4.2008 lebte die Familie in einer gemeinsamen Wohnung. Das Kindergeld war gegenüber dem Vater festgesetzt worden, da dieser in dem von den Eltern unterschriebenen Kindergeldantrag gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG als Berechtigter bestimmt worden war.
Die Eheleute trennten sich am 24.4.2008. Die Ehefrau nahm das Kind nach dem Auszug aus der bisherigen Wohnung in ihren Haushalt auf. In den Monaten Oktober 2008 bis Ende Dezember 2008 lebten der Ehemann, die Ehefrau sowie das Kind wegen eines Versöhnungsversuchs vorübergehend wieder in einer gemeinsamen Wohnung. Danach kam es zur endgültigen Trennung. Seither lebt die Mutter mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt.
Im Januar 2009 stellte sie einen Antrag auf Kindergeld bei der für sie zuständigen Familienkasse. Als die für den Vater zuständig gewordene Familienkasse hiervon erfuhr, hob sie die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber dem Vater rückwirkend auf und forderte das von Mai 2008 bis Dezember 2008 gezahlte Kindergeld zurück. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der eingelegten Klage insoweit statt, als sie den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 betraf.
Dies sieht der BFH jedoch anders und wies aufgrund der von der Familienkasse eingelegten Revision die Klage insgesamt ab. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld aufgrund des sog. Obhutsprinzips demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Wohnen die Eltern eines Kindes zusammen mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt, so bestimmen sie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den Berechtigten. Dies geschieht üblicherweise durch den Kindergeldantrag (§ 67 EStG).
Trennen sich die Eltern eines Kindes und leben sie fortan in verschiedenen Haushalten, so verliert eine früher getroffene Berechtigtenbestimmung in der Regel ihre Bedeutung, weil dann das Kindergeld zwingend an den Elternteil zu zahlen ist, in dessen Haushalt das Kind nunmehr lebt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine vormals getroffene Berechtigtenbestimmung wird daher mit der Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegenstandslos, ohne dass es eines Widerrufs bedarf.
Nur ausnahmsweise, wenn das Kind nach der Trennung der Eltern in etwa annähernd gleichwertigem Umfang bei beiden Elternteilen lebt, wirkt die vor der Trennung getroffene Berechtigtenbestimmung fort. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall jedoch nicht vor, da sich das Kind nach der Trennung der Eltern nicht mehr im Haushalt beider Elternteile, sondern nur noch im Haushalt der Mutter aufhielt. Diese wurde dadurch vorrangig kindergeldberechtigt.
Die am 24.4.2008 vollzogene Trennung führte zu einer Zäsur, welche die Rechtswirkungen der früheren gemeinsamen Willensbildung der Eltern entfallen ließ. Aus diesem Grund war eine neue Berechtigtenbestimmung erforderlich, als der Vater und die Mutter nach der Trennung vorübergehend wieder einen gemeinsamen Haushalt bildeten.
BFH, Urteil vom 18.5.2017, III R 11/15, veröffentlicht am 4.10.2017.