10.05.2016

Beweislastumkehr gilt auch bei groben Behandlungsfehlern von Tierärzten

Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, sind auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten beziehen sich schließlich auf einen lebenden Organismus.

BGH 10.5.2016, VI ZR 247/15
Der Sachverhalt:
Im Juli 2010 hatte die Klägerin ihr Pferd dem beklagten Tierarzt wegen einer Verletzung am rechten hinteren Bein zur Behandlung gebracht. Der Beklagte verschloss die Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert. Die Operation der Fraktur gelang nicht mehr, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Wie sich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im Prozess herausstellte, hatte sich das Pferd durch den Tritt eines Artgenossen nicht nur eine äußerliche Wunde zugezogen, sondern auch eine Fissur des Knochens. Diese Fissur hatte sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten mehr als 100.000 € Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung ihres Pferdes. Im Streitfall blieb ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach. Es kam daher darauf an, ob die Tierhalterin - wie es die Regel wäre - oder der Tierarzt die Beweislast hinsichtlich der Kausalität trägt.

LG und OLG gaben der Klage dem Grunde nach statt. Die Vorinstanzen nahmen in entsprechender Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zum ärztlichen Behandlungsvertrag in der Humanmedizin eine Beweislastumkehr bei einem schweren Behandlungsfehler an. Allerdings stellte das OLG im Berufungsverfahren fest, dass die zur Humanmedizin getroffenen Vorschriften generell nicht analog angewendet werden könnten. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Ansicht des OLG war zu folgen. Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, sind auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten beziehen sich schließlich auf einen lebenden Organismus.

Bei der tierärztlichen Behandlung kommt - wie in der Humanmedizin - dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben wurde, eine besondere Bedeutung zu. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt hat durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 83 vom 10.5.2016
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