02.05.2018

Beweislastumkehr nach grobem Behandlungsfehler entfällt bei Missachtung der ärztlichen Empfehlungen

Die mit einem groben ärztlichen Behandlungsfehler verbundene Beweislastumkehr kann entfallen, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet, so eine mögliche Mitursache für den erlittenen Gesundheitsschaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann.

OLG Hamm 2.2.2018, 26 U 72/17
Der Sachverhalt:
Aufgrund des Verdachtes auf eine "instabile Angina pectoris" hatte der Hausarzt des Ehemanns der Klägerin diesen im Februar 2015 in das Krankenhaus der Beklagten eingewiesen. Nach ersten Untersuchungen, es bestand auch in der Klinik der Verdacht einer koronaren Herzerkrankung (Erkrankung der Herzkranzgefäße), verließ der Ehemann wenige Tage später gegen den ärztlichen Rat das Krankenhaus. Er äußerte seine Unzufriedenheit, dass am Wochenende keine weiteren ärztlichen Untersuchungen durchgeführt worden waren.

Etwa zehn Tage später riet ihm der Hausarzt erneut zu einer dringenden Krankenhausbehandlung und wies ihn acht Tage später mit der Diagnose "Angina pectoris" in ein anderes Krankenhaus ein, in dem sich der Ehemann vorstellte und in vier Tagen einen Termin zur kardiologischen Abklärung vereinbarte. Eine unmittelbare stationärer Aufnahme lehnte er allerdings ab. Noch vor dem vereinbarten Termin verstarb der Ehemann im Alter von 45 Jahren. Der Notarzt stellte als Todesursache "Herzversagen" fest. Eine Obduktion erfolgte nicht.

Die Klägerin war der Ansicht, dass ihr Ehemann im Krankenhaus der Beklagten fehlerhaft behandelt worden sei. Sie machte als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns gegenüber der Beklagten 2.000 € Schmerzensgeld, rund 4.550 € Beerdigungskosten sowie Unterhalt für sich und die 1997 und 2002 geborenen Kinder i.H.v. monatlich mind. 5.000 € geltend. Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG die Entscheidung auf und wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu, weil ihr wegen des ganz erheblichen Mitverschuldens ihres verstorbenen Ehemannes keine Beweislastumkehr zu Gute kommt, so dass sie auch nicht nachweisen kann, dass ihr Mann infolge der Behandlungsfehler an einer Herzerkrankung verstorben ist.

Zwar hatte die Anhörung des medizinischen Sachverständigen mehrere, jedenfalls in ihrer Gesamtheit auch als grob zu bewertende Behandlungsfehler bei der Aufnahme und weiteren Behandlung des Verstorbenen im dem Krankenhaus ergeben. Nach der zugrunde zu legenden Dokumentation des Krankenhauses war es im Rahmen der Anamnese nämlich versäumt worden, bei dem Ehemann, der einen erhöhten Cholesterinwert gehabt hatte, das Rauchverhalten und den genauen Zeitpunkt, zu dem der Patient zum zweiten Mal Thorax-Schmerzen verspürt hatte, zu erfragen. Dabei war der Patient fälschlicherweise nicht als Risikopatient eingestuft und die Behandlung nicht darauf ausgerichtet worden.

Infolgedessen war es neben einer Reihe durchgeführter, gebotener Untersuchungen versäumt worden, einen zusätzlichen Blutwert (Troponinwert) zu bestimmen und ein weiteres EKG zu machen. Hinzu kam die versäumte Gabe eines blutverdünnenden, schmerzlindernden Arzneistoffes (ASS). Dessen Gabe entsprach bei bestehendem Verdacht auf eine akute koronare Herzerkrankung dem medizinischen Standard. Allerdings konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nicht geklärt werden, ob der Patient überhaupt an einem Herzinfarkt verstorben ist und ob die festgestellten Behandlungsfehler hierfür mitursächlich gewesen waren.

Der fehlende Nachweis ging somit zulasten der Klägerin, der trotz der groben Behandlungsfehler keine Beweislastumkehr zugutekommt. Eine solche scheidet nämlich nach BGH-Rechtsprechung (Urt.: v.16.11.2004, Az. VI ZR 328/03) aus, wenn ein Patient in vorwerfbarer Weise ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet, hierdurch eine mögliche Mitursache für seinen Gesundheitsschaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann. Und hiervon konnte im vorliegenden Fall ausgegangen werden.

Schließlich hatte der Ehemann der Klägerin sich nach dem ersten Krankenhausaufenthalt - entgegen dem Rat seines Hausarztes, der ihn auf die Risiken hingewiesen hatte - nicht erneut in stationäre Behandlung begeben, sondern lediglich einen Termin zur kardiologischen Abklärung in einem Krankenhaus vereinbart. Da er bis zur weiteren Untersuchung verstorben ist, hatte er in erheblichem Maße durch seine stetige Weigerung, sich entsprechend dem ärztlichen Rat zu verhalten, dazu beigetragen, dass sein Herzleiden nicht weiter abgeklärt und behandelt werden konnte.

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