20.04.2017

Brexit und Schiedsverfahren über Verrechnungspreise - Konsequenzen und Praktikerhinweise (RA, StB David N. Martiny/StB Dr. Juliane Sassmann/StB Oliver Wehnert, ISR 2017, 140)

Die Auswirkungen des Brexit auf die (nachlaufende) Anwendung der EU-Schiedskonvention sind ungeklärt. Nach der hier vertretenen Auffassung enden die Verpflichtungen Deutschlands und der anderen EU-Staaten sowie Großbritanniens nicht automatisch bei Ausscheiden Großbritanniens aus der EU. Vielmehr ist eine separate Kündigung der EU-Schiedskonvention durch Großbritannien notwendig. Die Kündigung hat zumindest keine Wirkung auf bereits beantragte Verfahren. Aufgrund der politischen Situation ist unklar, ob sich die betroffenen Fisci dieser Auffassung anschließen werden.

Aktuell in der ISR
  1. Hintergrund
  2. Obligatorisches Schiedsverfahren zur Vermeidung von Doppelbesteuerung bei Verrechnungspreisstreitigkeiten
  3. Auswirkungen des Brexit auf die EU-Schiedskonvention
  4. Handlungsempfehlungen für die Praxis
  5. Zusammenfassung

I. Hintergrund
In der Diskussion um die möglichen steuerlichen Folgen eines Brexit weitgehend unbeachtet geblieben sind bis-lang die Konsequenzen eines Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union auf Verständigungs- und Schiedsverfahren im Bereich der Verrechnungspreise. Steuerpflichtige mit laufenden oder drohenden Verständigungs- oder Schiedsverfahren zwischen Deutschland und Großbritannien müssen sich aber heute schon Gedanken machen, welche Auswirkungen ein Brexit auf diese Verfahren haben wird.

Beispiel:
Ende des Jahres 2015 hat die Betriebsprüfung der Y-GmbH für die Veranlagungszeiträume 2009-2012 festgestellt, dass die Y-GmbH Aufwendungen für IT-Dienstleistungen geltend macht, die ihr von der Y-Ltd., ihrer Muttergesellschaft mit Sitz in Großbritannien, in Rechnung gestellt wurden. Die Betriebsprüfung ist der Auffassung, dass den geltend gemachten Aufwendungen kein entsprechender Nutzen der Y-GmbH gegenübersteht und dass die an die Y-Ltd. gezahlte Dienstleistungsgebühr der Höhe nach nicht dem Fremdvergleich standhält. Die Y-GmbH erhält noch im Dezember 2015 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2009-2012, in denen jeweils steuererhöhend verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt werden. Nachdem im Oktober 2016 auch das Einspruchsverfahren erfolglos blieb, überlegt die Y-GmbH, ob zumindest eine Doppelbesteuerung vermieden werden kann.

Verlag Dr. Otto Schmidt