19.04.2018

Britische sog. Claw-back-Besteuerung und Abkommensrecht

Der BFH hält daran fest, dass der Gewinn aus der Veräußerung einer in Großbritannien belegenen Immobilie nach dem DBA-Großbritannien 1964/1970 in Deutschland besteuert werden darf, wenn die Veräußerung nach britischem Steuerrecht nur dazu führt, dass zuvor gewährte Abschreibungen auf Teile der Immobilie rückgängig gemacht werden ("Claw-back-Besteuerung).

Kurzbesprechung
BFH v. 15.11.2017 - I R 55/15

DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. VIII Abs. 1, Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a
InvStG 2004 a.F. § 13 Abs. 4
InvStG 2004 i.d.F. des InvStRefG § 13 Abs. 4a, Abs. 4b
AO § 163 Abs. 1 Satz 1

Die Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 5 Abs. 1 InvStG 2004 a.F. sind gemäß § 13 Abs. 1 InvStG 2004 a.F. gegenüber der Investmentgesellschaft gesondert festzustellen. Die Investmentgesellschaft hat spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs eine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen abzugeben (§ 13 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 a.F.). Die Feststellungserklärung steht gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 a.F. einer gesonderten Feststellung gleich. Stellt das Finanzamt materielle Fehler der gesonderten Feststellung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 a.F. fest, sind gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 InvStG 2004 a.F. die Unterschiedsbeträge zwischen den erklärten Besteuerungsgrundlagen und den zutreffenden Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen.

Im entschiedenen Streitfall lagen die Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung eines Unterschiedsbetrags nach § 13 Abs. 4 Satz 1 InvStG 2004 a.F. vor. Denn die vom Steuerpflichtigen (einem Investmentfonds) gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 a.F. erklärten Besteuerungsgrundlagen waren insoweit materiell fehlerhaft, als der Gewinn aus der Veräußerung einer in Großbritannien belegenen Immobilie als gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 a.F. i.V.m. dem DBA-Großbritannien 1964/1970 steuerfrei behandelt worden ist. Zwar sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 a.F. die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge bei der Veranlagung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit außer Betracht zu lassen, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. Auf die Besteuerung des aus dem Verkauf der Immobilie resultierenden Veräußerungsgewinns hat Deutschland im Rahmen des DBA- Großbritannien 1964/1970 jedoch nicht verzichtet.

Aus abkommensrechtlicher Sicht handelt es sich bei dem streitigen Gewinn um einen Gewinn aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens, den Großbritannien als Belegenheitsstaat besteuern darf (Art. VIII Abs. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970). Da der Gewinn in Großbritannien besteuert werden darf, ist er im Grundsatz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, soweit er auf eine in Deutschland ansässige Person entfällt (Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Halbsatz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970). Diese Rechtsfolge tritt aber nur dann ein, wenn der Veräußerungsgewinn in Großbritannien steuerpflichtig ist (Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Halbsatz 2 DBA-Großbritannien 1964/1970). Daran fehlte es jedoch im Streitfall.

Zwar ist anhand der Feststellungen des angefochtenen Urteils davon auszugehen, dass die Veräußerung des Grundstücks gemäß britischem Steuerrecht (Capital Allowances Act) eine Nachversteuerung ("Claw back") von zuvor auf das Grundstück geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung (AfA) ausgelöst hat. Der BFH bestätigt jedoch seine bisherige Rechtsprechung, wonach in dieser britischen Claw-back-Besteuerung keine dem Besteuerungsrückfall entgegenstehende Besteuerung des Veräußerungsgewinns i.S. des Art. XVIII Abs. 2 Buchst.  a Halbsatz 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 zu sehen ist.

Weiterhin entschied der BFH, dass

  • der wegen materiell fehlerhafter Feststellungserklärung eines Investmentfonds gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 InvStG 2004 a.F. vom Finanzamt gesondert festzustellende Unterschiedsbetrag auf einen Investmentanteil zu beziehen ist. Maßgeblich für die Berechnung ist dabei die Zahl der umlaufenden Anteile zum Schluss desjenigen Geschäftsjahrs, in welchem der materielle Fehler eingetreten ist;
  • der festzustellende Unterschiedsbetrag jedenfalls dann, wenn der Feststellungsbescheid erst nach dem 31. 12. 2017 unanfechtbar wird, nicht im Wege eines Billigkeitserweises deshalb herabzusetzen ist, weil die Zahl der umlaufenden Fondsanteile sich nach dem Schluss des Geschäftsjahrs, in dem der materielle Fehler eingetreten ist, infolge einer Verschmelzung mit einem anderen Fonds signifikant erhöht hat.


BFH, Urteil vom 15.11.2017, I R 55/15, veröffentlicht am 18.4.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt