18.10.2011

Bundesrat stimmt verbessertem Rechtsschutz gegen überlange Gerichtsverfahren zu

Der Bundesrat hat am 14.10.2011 dem verbesserten Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren zugestimmt. Das Gesetz, das zuvor bereits den Bundestag passiert hatte, sieht eine angemessene Entschädigung vor, wenn gerichtliche Verfahren zu lange dauern.

Betroffene werden künftig die Möglichkeit haben, sich in zwei Stufen gegen überlange Gerichtsverfahren zu wehren:
  • Auf der ersten Stufe müssen die Betroffenen das Gericht, das nach ihrer Ansicht zu langsam arbeitet, mit einer Rüge auf die Verzögerung hinweisen. Die Richter sollen durch die Verzögerungsrüge die Möglichkeit erhalten, Abhilfe zu schaffen. Und dies bedeutet auch: Man kann einem Verfahren nicht einfach seinen langen Lauf lassen und später eine Entschädigung fordern.
  • Verzögert sich das Verfahren dennoch weiter, kann auf der zweiten Stufe eine Entschädigungsklage erhoben werden. In diesem Verfahren erhalten Betroffene für die sog. immateriellen Nachteile - z.B. für seelische und körperliche Belastungen durch das lange Verfahren - in der Regel 1.200 € für jedes Jahr, soweit eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht ausreichend ist. Außerdem ist eine angemessene Entschädigung für materielle Nachteile vorgesehen, etwa wenn die unangemessene Verfahrensdauer zur Insolvenz eines Unternehmens führt.

Der neue Entschädigungsanspruch hängt nicht von einem Verschulden ab. Daneben sind zusätzlich - wie bisher - Amtshaftungsansprüche denkbar, wenn die Verzögerung auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung beruht. Dann kann umfassend Schadensersatz verlangt werden, etwa auch der Ersatz von entgangenem Gewinn. Die Regelung tritt am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Hintergrund:
Einige Zahlen und Fakten zur Dauer der gerichtlichen Verfahren in den unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten (Zahlenmaterial Erhebung 2010, Quelle: Statistisches Bundesamt):

Zivilgerichte
Bei den Zivilgerichten dauern Verfahren in der Eingangsinstanz (bundes)durchschnittlich zwar nur 4,7 Monate (Amtsgerichte) bzw. 8,1 Monate (Landgerichte). Die durchschnittliche Verfahrensdauer in den Ländern zeigt aber deutliche Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten. Bei den Amtsgerichten liegt die Spannweite zwischen 3,9 und 5,8 Monaten, bei den Landgerichten zwischen 6,3 und 11,0 Monaten. 13,0 Prozent der Prozesse vor den Landgerichten dauern im Übrigen mehr als 12 Monate und 6,0 Prozent mehr als 24 Monate.

Verwaltungsgerichte
Erstinstanzliche Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dauern im Bundesdurchschnitt 10,9 Monate. Die kürzeste durchschnittliche Verfahrensdauer pro Land beträgt 4,6 Monate, die längste durchschnittliche Verfahrensdauer in einem Land 25,0 Monate. 7,4 Prozent der Verfahren dauern mehr als 24 Monate, 4,1 Prozent mehr als 36 Monate. Bei den Oberverwaltungsgerichten als Eingangsinstanz beträgt die Durchschnittsdauer bundesweit 15,7 Monate. Der kürzeste Länderwert liegt bei 6,3 Monaten, der längste bei 28,0 Monaten. 15,8 Prozent der erstinstanzlichen Verfahren vor den Oberverwaltungsgerichten dauern länger als 24 Monate, 8,6 Prozent mehr als 36 Monate.

Finanzgerichte
Die Finanzgerichte brauchen durchschnittlich 17,5 Monate für ein erstinstanzliches Verfahren. Im Bundesland mit der kürzesten Dauer reichen dabei durchschnittlich 10,1 Monate, während im Bundesland mit der längsten Dauer mit durchschnittlich 24,7 Monaten gerechnet werden muss. 13,8 Prozent der Verfahren dauern länger als 24 Monate, über 14,8 Prozent länger als 36 Monate.

BMJ PM vom 14.10.2011
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