10.09.2018

Dachdecker trifft hälftiges Mitverschulden

Einen fachkundigen Handwerker (hier: ein Dachdecker), der sich vor Beginn seiner Arbeit nicht davon überzeugt hat, ob die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen getroffen sind und diese gegebenenfalls selbst nicht getroffen hat, obwohl er in unmittelbarer Nähe zu der Gefahrenstelle Arbeiten ausgeführt hat, kann bei einem Unfall ein hälftiges Mitverschulden treffen.

OLG Hamm 7.9.2018, 7 U 12/17
Der Sachverhalt:

Im November 2011 hatte die Stadt Netphen (Beklagte zu 1) die Haustechnik der Dreisbachhalle modernisieren lassen. Der bei der Stadt beschäftigte Beklagte zu 2) war verantwortlicher Ingenieur für die Arbeiten. Mit einem Teil der Arbeiten an der Stahlkonstruktion der Lüftung war die Klägerin zu 2) als Subunternehmerin beauftragt. Deren seinerzeit 46 Jahre alter Gesellschafter, der Kläger zu 1), verletzte sich bei den Arbeiten schwer.

Eine auf dem Dach der Halle befindliche Lichtkuppel war beschädigt und aus Gründen des Witterungsschutzes mit einer Plane abgedeckt worden. Sie sollte nach Abschluss der Montagearbeiten ersetzt werden. Etwa 14 Tage vor dem streitgegenständlichen Unfall brach der Lehrjunge einer anderen Firma in die beschädigte Lichtkuppel ein, ohne Verletzungen zu erleiden. Die beschädigte Kuppel wurde in der Folgezeit nicht weiter abgesichert. Am maßgeblichen Tag geriet der Kläger zu 1) bei auf dem Dach der Halle in der Nähe der Lichtkuppel auszuführenden Arbeiten - aus ungeklärten Umständen - auf die abgedeckte und beschädigte Lichtkuppel, stürzte 8,5 m in die Tiefe und landete auf einer in der Halle befindlichen Sportmatte. Er zog sich lebensgefährliche Verletzungen zu, u.a. mehrere Frakturen, die nicht folgenlos ausgeheilt sind. So ist er u.a. auf einen Rollstuhl angewiesen. Seine frühere berufliche Tätigkeit kann er nicht mehr ausüben.

Das LG hat die Beklagten verurteilt, dem Kläger zu 1) bislang entstandene materielle Schäden i.H.v. ca. 7.450 €, einen Haushaltsführungsschaden von monatlich 405 €, einen Verdienstausfallschaden von monatlich ca. 3.400 € sowie ein

Schmerzensgeld i.H.v. 75.000 € zu zahlen. Bei der Bemessung der Schadensbeträge hat das LG eine Haftung der Beklagten aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung und ein 25-%iges Mitverschulden des Klägers zu 1) angenommen. Im Berufungsverfahren hat das OLG das erstinstanzliche Urteil dem Grunde sowie der Höhe nach teilweise abgeändert und die Beklagten insbesondere verurteilt, an den Kläger zu 1) ein Schmerzensgeld von 50.000 €, bislang entstandene materielle Schäden von etwa 4.800 €, einen Verdienstausfallschaden von monatlich ca. 2.200 € sowie einen Haushaltsführungsschaden von monatlich etwa 100 € zu zahlen. Bei der Bemessung der Schadensbeträge hat der Senat eine Haftung der Beklagten aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung und ein 50%iges Mitverschulden des Klägers angenommen.

Die Gründe:

Zwar war der fachkundige Kläger zu 1) selbst verpflichtet gewesen, die Baustellensicherheit zu gewährleisten. Dennoch fiel er in den persönlichen Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht. Denn die Beklagten traf im vorliegenden Fall eine gesteigerte Verkehrssicherungspflicht. Diese gesteigerte Verkehrssicherungspflicht beruhte auf der vorangegangenen zweimaligen Beschädigung der Lichtkuppel im Zuge der Arbeiten und der Verdeckung der Gefahrenstelle durch eine nicht tragfähige Plane.

Der Kläger zu 1) war zudem auf die von der beschädigten Lichtkuppel ausgehende, gesteigerte Gefahrenlage nicht hingewiesen worden. Den klagenden Handwerker traf allerdings ein hälftiges Mitverschulden, denn er hatte sich zuvor nicht davon überzeugt, ob die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen getroffen worden waren und diese gegebenenfalls selbst getroffen, obwohl er in unmittelbarer Nähe zu der Gefahrenstelle Arbeiten ausgeführt hatte.

OLG Hamm Pressemitteilung vom 7.9.2018