22.05.2012

Dem Internet entnommene Faxnummern der Gerichte müssen dem richtigen Vorgang zugeordnet werden

Das Büropersonal muss stets angewiesen werden, die angegebene Faxnummer noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Dem entsprechend muss jeder Anwalt in geeigneter Weise organisatorisch sicherstellen, dass die den offiziellen Seiten der Gerichte im Internet entnommenen Faxnummern verschiedener Gerichte dem richtigen Vorgang zugeordnet und Rechtsmittelbegründungen an die richtigen Gerichte übermittelt werden.

BGH 17.4.2012, VI ZB 50/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Unfallversicherungsträger. Sie nahm den Beklagten nach § 110 Abs. 1 SGB VII auf Erstattung der Aufwendungen in Anspruch, die ihr durch den Arbeitsunfall einer bei ihr versicherten Person entstanden waren. Das LG wies die Klage ab.

Gegen das ihr am 4.11.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 3.12.2010 form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung vom 2.2.2011 ging allerdings nicht innerhalb der bis zum 4.2.2011 verlängerten Begründungsfrist, sondern erst am 8.2.2011 beim Berufungsgericht ein, weil sie am letzten Tag der verlängerten Frist per Fax an das falsche OLG übermittelt und dann von dort an das Berufungsgericht weitergeleitet worden war.

Das Berufungsgericht hat die Berufung daraufhin unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin war nicht, wie für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 233 ZPO nötig, ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Die Versäumung der Frist beruhte vielmehr auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen musste.

So warf der Fall nicht die Frage nach der Zuverlässigkeit amtlich veranlasster Internetseiten auf, sondern die Frage, wie die Verwechslung der Internetseiten mehrerer Gerichte durch eine anwaltliche Büroorganisation verhindert werden kann. Entscheidend für die Bejahung eines Organisationsverschuldens war im vorliegenden Fall Folgendes:

Die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetragene Büroorganisation hatte keine Vorsorge gegen die auf der Hand liegende Gefahr getroffen, dass bei parallelen Internetrecherchen die auf den verschiedenen Webseiten vorhandenen Daten den falschen Aktenvorgängen zugeordnet werden und diese Zuordnung in der Folge nicht mehr bemerkt wird. Da sich bei einem solchen Verfahren Irrtümer nicht vermeiden lassen, etwa weil die zu einem bestimmten Vorgang geöffneten Seiten ungewollt während der Folgerecherche noch geöffnet sind, ist bei der Übernahme von Daten aus dem Internet eine sorgfältige Überprüfung erforderlich, ob eine zutreffende Übernahme der Daten zum richtigen Vorgang erfolgt ist.

Das Büropersonal muss ohnehin stets angewiesen werden, die angegebene Faxnummer noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Dem entsprechend hat der Anwalt in geeigneter Weise organisatorisch sicherzustellen, dass die der zuverlässigen Quelle entnommene Faxnummer des Gerichts auch im Fall von Internetrecherchen dem richtigen Vorgang zugeordnet und der Schriftsatz an den richtigen Empfänger übermittelt wird. Da eine derartige Anweisung hier nicht bestand, war die Organisation des Anwaltsbüros der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Hinblick auf die vorliegende Fallgestaltung unzureichend.

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