Depotübergreifende Verlustverrechnung bei Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG
KurzbesprechungEStG § 20 Abs. 6 Satz 1, 6, § 32d Abs. 4, § 43a Abs. 3, § 43 Abs. 5
GG Art. 3 Abs. 1
Der BFH hat entschieden, dass das Verfahren des Kapitalertragsteuerabzugs an der Quelle durch die auszahlende Stelle gemäß §§ 43 ff. EStG einer im Streitfall für den Steuerpflichtigen günstigeren Verrechnung von Altverlusten i.S. des § 23 EStG a.F. mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG im Rahmen der Veranlagung gemäß § 32d Abs. 4 EStG nach § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG nicht entgegensteht.
Denn aus der gesetzlichen Konzeption der Abgeltungsteuer ergibt sich, dass die Verlustverrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG bei der auszahlenden Stelle nicht endgültig ist, sondern bei der (Antrags-)Veranlagung gemäß § 32d Abs. 4 EStG eine depotübergreifende günstigere Verrechnung mit den Altverlusten i.S. des § 23 EStG a.F. durchzuführen ist.
Gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge i.S. des § 20 EStG, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, mit dem Steuerabzug abgegolten. Dies dient der mit der Einführung der Abgeltungsteuer bezweckten Vereinfachung der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Jedoch werden gemäß § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG auf Antrag des Gläubigers die Kapitalerträge i.S. des § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG in die besondere Besteuerung von Kapitalerträgen nach § 32d EStG einbezogen. Die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs entfällt.
Der hierfür vorgesehene Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, den Steuereinbehalt durch die auszahlende Stelle dem Grunde und der Höhe nach im Veranlagungsverfahren durch das FA überprüfen zu lassen. Zudem sollen noch nicht im Rahmen des § 43a Abs. 3 EStG berücksichtigte Verluste und Verlustvorträge nach § 20 Abs. 6 EStG genutzt werden können. Danach ist die Verlustverrechnung im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens durch die Kreditinstitute zwar zeitlich vorrangig, jedoch bei einer Antragstellung nach § 32d Abs. 4 EStG nicht endgültig. Der BFH hält die depotübergreifende Verrechnung von Altverlusten i.S. des § 23 EStG a.F. auch aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten
Letztlich stand im Streitfall auch die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG der Verlustverrechnung nicht entgegen. Die Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S. des § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzugs. Eine solche Gefahr war im Streitfall jedoch nicht gegeben, da sich aus den Erträgnisaufstellungen der beiden Banken jeweils ein positiver Endsaldo ergab. Es war daher ausgeschlossen, dass ein nicht ausgeglichener Verlust gemäß § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG von der auszahlenden Stelle auf das nächste Kalenderjahr übertragen wird.
BFH, Urteil vom 29.8.2017, VIII R 23/15, veröffentlicht am 29.11.2017.