Die besondere Zuständigkeit einer Entscheidung mit kartellrechtlicher Vorfrage liegt beim Kartellsenat des OLG
BGH v. 29.10.2019 - KZR 60/18
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt einen Radiosender und nutzt zur Übertragung die von der Klägerin betriebenen terrestrischen Sendeanlagen. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Entgelt für erbrachte Übertragungsleistungen in Anspruch.
Das von der Klägerin angerufene LG Bonn hat den Rechtsstreit auf Hilfsantrag der Klägerin an das nach § 87 GWB für kartellrechtliche Streitigkeiten zuständige LG Köln verwiesen. Dieses gab der Klage antragsgemäß statt. Dagegen legte die Beklagte Berufung beim OLG Düsseldorf ein.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BGH Erfolg, womit die Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird.
Die Gründe:
Die Beklagte legte die Berufung ordnungs- und fristgemäß ein.
Es gehört zur Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes, dass der Rechtsuchende in die Lage versetzt wird, die verfahrensrechtlichen Wege zu erkennen, auf denen er sein Recht finden kann. Eine Regelung, die das einzuhaltende Verfahren nur mit erheblicher Unsicherheit erkennen, einen darauf beruhenden Irrtum des Rechtsuchenden aber zur Unzulässigkeit seines Rechtsmittels führen lässt, genügt diesen Anforderungen nicht.
Angesichts der Unsicherheit über das zuständige Gericht kann die Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Gericht als auch bei dem nach §§ 91, 93, 92 GWB i.V.m. § 87 GWB zuständigen Gericht eingelegt werden. Unter diesen Umständen konnte nach dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit die Berufung gegen das Urteil des LG daher i.S.d. § 519 Abs. 1 ZPO wirksam bei dem OLG eingelegt werden, bei dem gem. §§ 91 Satz 1, 92, 93 GWB ein Kartellsenat gebildet ist.
Eine Verweisung an das OLG Köln kommt nicht in Betracht, da das Berufungsgericht, also das OLG Düsseldorf, zur Entscheidung berufen ist. Gem. § 91 Satz 2 GWB entscheidet der Kartellsenat beim OLG über die Berufung gegen Endurteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 87 GWB. Durch die 6. GWB-Novelle ist die materielle Änderung an die Stelle der formellen Anknüpfung getreten. Andererseits genügt es für die Zuständigkeit nach § 91 Satz 2 GWB nicht mehr, dass ein nach §§ 87, 89 GWB zuständiges LG erkennbar in dieser Eigenschaft entschieden hat. Erforderlich ist vielmehr stets, dass eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 87 GWB vorliegt.
Es liegt zwar keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 87 GWB vor, jedoch ergibt sich die besondere Zuständigkeit des Kartellsenats gem. § 91 Satz 2 i.V.m. § 87 Satz 2 GWB aus dem Vorliegen einer Entscheidung mit kartellrechtlicher Vorfrage. Eine solche ist gegeben, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach diesem Gesetz zu treffen ist, abhängt. Der von der Beklagten geltend gemachte Preishöhenmissbrauch betrifft die Anwendung der §§ 19, 20 GWB schon insofern, als dass sich die Frage stellt, ob diese neben dem § 2 Abs. 4 Satz 1 TKG stehen. Mithin besteht eine kartellrechtliche Vorfrage bereits unabhängig davon, ob eine Anwendung der §§ 19,20 GWB möglich ist.
Die Anwendung der §§ 19, 20 GWB ist darüber hinaus nicht durch § 2 Abs. 4 Satz 1 TKG ausgeschlossen. Danach bleiben die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, soweit durch dieses Gesetz nicht ausdrücklich abschließende Regelungen getroffen werden, anwendbar. Solche Regelungen gibt es im TKG nicht. Die Entscheidungserheblichkeit der kartellrechtlichen Vorfrage, ob ein Missbrauch nach §§ 19, 20 GWB zu bejahen ist, kann auch nicht verneint werden, weil die Missbrauchskontrolle nach §§ 19, 20 GWB zu keinem anderen Ergebnis führen könne als diejenige nach § 28 TKG. Dies kann dahinstehen, da diese Frage die Anwendung der §§ 19, 20 GWB betrifft und mithin für deren Beantwortung gem. §§ 87 Satz 2, 91 GWB allein die spezialisierten Kartellgerichte zuständig sind.
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Die Beklagte betreibt einen Radiosender und nutzt zur Übertragung die von der Klägerin betriebenen terrestrischen Sendeanlagen. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Entgelt für erbrachte Übertragungsleistungen in Anspruch.
Das von der Klägerin angerufene LG Bonn hat den Rechtsstreit auf Hilfsantrag der Klägerin an das nach § 87 GWB für kartellrechtliche Streitigkeiten zuständige LG Köln verwiesen. Dieses gab der Klage antragsgemäß statt. Dagegen legte die Beklagte Berufung beim OLG Düsseldorf ein.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BGH Erfolg, womit die Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird.
Die Gründe:
Die Beklagte legte die Berufung ordnungs- und fristgemäß ein.
Es gehört zur Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes, dass der Rechtsuchende in die Lage versetzt wird, die verfahrensrechtlichen Wege zu erkennen, auf denen er sein Recht finden kann. Eine Regelung, die das einzuhaltende Verfahren nur mit erheblicher Unsicherheit erkennen, einen darauf beruhenden Irrtum des Rechtsuchenden aber zur Unzulässigkeit seines Rechtsmittels führen lässt, genügt diesen Anforderungen nicht.
Angesichts der Unsicherheit über das zuständige Gericht kann die Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Gericht als auch bei dem nach §§ 91, 93, 92 GWB i.V.m. § 87 GWB zuständigen Gericht eingelegt werden. Unter diesen Umständen konnte nach dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit die Berufung gegen das Urteil des LG daher i.S.d. § 519 Abs. 1 ZPO wirksam bei dem OLG eingelegt werden, bei dem gem. §§ 91 Satz 1, 92, 93 GWB ein Kartellsenat gebildet ist.
Eine Verweisung an das OLG Köln kommt nicht in Betracht, da das Berufungsgericht, also das OLG Düsseldorf, zur Entscheidung berufen ist. Gem. § 91 Satz 2 GWB entscheidet der Kartellsenat beim OLG über die Berufung gegen Endurteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 87 GWB. Durch die 6. GWB-Novelle ist die materielle Änderung an die Stelle der formellen Anknüpfung getreten. Andererseits genügt es für die Zuständigkeit nach § 91 Satz 2 GWB nicht mehr, dass ein nach §§ 87, 89 GWB zuständiges LG erkennbar in dieser Eigenschaft entschieden hat. Erforderlich ist vielmehr stets, dass eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 87 GWB vorliegt.
Es liegt zwar keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 87 GWB vor, jedoch ergibt sich die besondere Zuständigkeit des Kartellsenats gem. § 91 Satz 2 i.V.m. § 87 Satz 2 GWB aus dem Vorliegen einer Entscheidung mit kartellrechtlicher Vorfrage. Eine solche ist gegeben, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach diesem Gesetz zu treffen ist, abhängt. Der von der Beklagten geltend gemachte Preishöhenmissbrauch betrifft die Anwendung der §§ 19, 20 GWB schon insofern, als dass sich die Frage stellt, ob diese neben dem § 2 Abs. 4 Satz 1 TKG stehen. Mithin besteht eine kartellrechtliche Vorfrage bereits unabhängig davon, ob eine Anwendung der §§ 19,20 GWB möglich ist.
Die Anwendung der §§ 19, 20 GWB ist darüber hinaus nicht durch § 2 Abs. 4 Satz 1 TKG ausgeschlossen. Danach bleiben die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, soweit durch dieses Gesetz nicht ausdrücklich abschließende Regelungen getroffen werden, anwendbar. Solche Regelungen gibt es im TKG nicht. Die Entscheidungserheblichkeit der kartellrechtlichen Vorfrage, ob ein Missbrauch nach §§ 19, 20 GWB zu bejahen ist, kann auch nicht verneint werden, weil die Missbrauchskontrolle nach §§ 19, 20 GWB zu keinem anderen Ergebnis führen könne als diejenige nach § 28 TKG. Dies kann dahinstehen, da diese Frage die Anwendung der §§ 19, 20 GWB betrifft und mithin für deren Beantwortung gem. §§ 87 Satz 2, 91 GWB allein die spezialisierten Kartellgerichte zuständig sind.