Doppelte Belastung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen
KurzbesprechungGG Art. 3 Abs. 1
EStG in der bis 2004 geltenden Fassung § 10 Abs. 3
EStG § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa, Doppelbuchst. bb Satz 2
Der Steuerpflichtige war von 1969 bis 1976 zunächst als Arbeitnehmer beschäftigt und während dieser Zeit in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Seit 1978 ist er als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer freiberuflich tätig, blieb aber freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund lagen die vom Steuerpflichtigen geleisteten Beiträge in keinem Jahr oberhalb des jeweiligen Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus zahlte der Steuerpflichtige für seine Altersversorgung in erheblichem Umfang in kapitalbildende Lebensversicherungen ein.
Seit Juli 2011 bezieht der Steuerpflichtige eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die das FA mit dem gesetzlichen Besteuerungsanteil von 62 % ansetzte.
Im Einspruchs- und Klageverfahren machte der Steuerpflichtige zunächst die Anwendung der Öffnungsklausel geltend. Darüber hinaus ist nach seiner Ansicht eine Besteuerung der gesetzlichen Rente mit dem Ertragsanteil auch deshalb geboten, weil die Auszahlungen aus Lebensversicherungen nur dem Ertragsanteil unterlägen, obwohl die entsprechenden Beitragsleistungen nach den bis einschließlich 2004 geltenden Fassungen des § 10 EStG ebenso behandelt worden seien wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach erfolglosem Klageverfahren wies auch der BFH die eingelegte Revision ab und entschied, dass der Ansatz des Besteuerungsanteils von 62% nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht zu beanstanden ist, da im Streitfall weder die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG anwendbar ist noch die einkommensteuerrechtliche Erfassung der Rente unter dem Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung zu Auszahlungen aus Lebensversicherungsverträgen oder einer doppelten Besteuerung verfassungswidrig ist. Letztlich verstößt sie nicht gegen die Präambel des AEUV.
Der BFH stellte klar, dass der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dadurch verletzt wird, dass die Rente des Steuerpflichtigen dem Besteuerungsanteil von 62% unterliegt, während Auszahlungen aus Lebensversicherungsverträgen lediglich mit dem niedrigeren Ertragsanteil besteuert werden. Dies gilt vor allem für die vom FG zutreffend vertretene Rechtsauffassung, Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen seien bei Beurteilung der Frage, in welchem Umfang sich die Beiträge zur Basis-Altersversorgung im zeitlichen Anwendungsbereich der bis 2004 für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen geltenden Rechtslage tatsächlich als Sonderausgaben ausgewirkt haben, nicht gleichrangig, sondern nur nachrangig zu den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung abzuziehen.
Denn eine gleichrangige Betrachtung dieser Kapitalanlage mit den Aufwendungen für die Basis-Altersversorgung würde dazu führen, dass für Letztere ein geringeres Sonderausgaben-Abzugsvolumen übrig bliebe, also ein höherer Anteil aus versteuertem Einkommen geleistet wäre. Damit wäre die Schwelle der verfassungsrechtlich unzulässigen doppelten Besteuerung früher überschritten. Dies würde jedoch ausgerechnet jene Steuerpflichtigen begünstigen, die weiterhin in erheblichem Maße von der - wenngleich verfassungsrechtlich noch hinzunehmenden - fortbestehenden einkommensteuerrechtlichen Begünstigung der Auszahlungen aus derartigen Rentenversicherungsverträgen profitieren. Daher ist zur Vermeidung einer auf diese Vorsorgeform beschränkten, nicht gerechtfertigten doppelten Begünstigung - nämlich einerseits durch Steuerfreistellung der früheren Beiträge und andererseits durch weitgehende Steuerfreistellung der Auszahlungen - im Rahmen der rückblickenden Aufteilung des Sonderausgabenabzugs ein Nachrang der Beiträge zu dieser Vorsorgeform anzunehmen.
BFH, Urteil vom 23.8.2017, X R 33/15, veröffentlicht am 29.11.2017.