28.08.2015

Durchsuchung bei Medienorganen darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienen

Die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären. Erforderlich sind vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen, die den Beschlagnahmeschutz nach § 97 Abs. 5 S. 1 StPO entfallen lässt.

BVerfG 13.7.2015, 1 BvR 1089/13 u.a.
Der Sachverhalt:
Bei den Beschwerdeführern handelte es sich um einen Journalisten sowie einen Zeitungsverlag. Im Frühjahr 2011 war der Journalist nach Amsterdam gereist, um über das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu recherchieren. Dabei wurde er von dem Polizeioberkommissar N. begleitet, der eine Rechnung über rund 3.150 € an die Chefredaktion der Beschwerdeführerin stellte. Sie endete mit den Worten: "Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung". Auf diese Rech-nung stießen die Ermittlungsbehörden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen N. wegen Geheimnisverrats. Dabei stand er in Verdacht, eine geplante Razzia der Berliner Polizei im Rockermilieu an Journalisten weitergegeben zu haben. Über die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht der Zeitungsverlag vorab berichtet, sondern ein mit diesem nicht in Zusammenhang stehendes Online-Portal.

Daraufhin wurde im November 2012 das Redaktionsgebäude des Zeitungsverlags sowie die Privatwohnung des Journalisten wegen des Verdachts der Bestechung gem. § 334 StGB durchsucht. Der Durchsuchungsbeschluss stützte sich auf eine Zahlung des Journalisten an N. i.H.v. 100 € sowie auf die genannte Rechnung. Aufgrund der Heimlichkeit der Reise, des ungewöhnlich hohen Tagessatzes von 500 € sowie der Bitte um konspirative Abrechnung habe der Verdacht bestanden, dass die von N. für die Zeitung erledigten Tätigkeiten dienstlichen Bezug hätten. Nach Darstellung der Beschwerdeführer sei N. jedoch außerhalb seiner Dienstzeit als Sicherheitsexperte für die Recherchereise nach Amsterdam engagiert worden. Die 100 € seien N. für den Kauf von zwei Jacken ausgelegt und später von ihm zurückgezahlt worden.

Mit angefochtenem Beschluss verwarf das LG Berlin die gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde als unbegründet. Mit ihren Verfassungsbeschwerden machten die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Grundrechts der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geltend; der Journalist rügte zudem eine Verletzung des Art. 13 Abs. 1, 2 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung).

Das BVerfG hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung über die Kosten an das LG Berlin zurück.

Die Gründe:
Die Verfassungsbeschwerden waren begründet. Der Schutzbereich der Pressefreiheit war eröffnet. Sie umfasst den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten. Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann. Eine Durchsuchung in Presseräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar.

Der Eingriff durch die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme der dort gefundenen Gegenstände war verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Seit 2012 gilt, dass Beihilfehandlungen zum Geheimnisverrat nach Maßgabe des § 353b Abs. 3a StGB nicht mehr als rechtswidrig anzusehen sind. Strafbar sind die Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihilfehandlungen, die der Vollendung der Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und Veröffentlichen der Information hinausgehen. Hierzu soll insbesondere die Zahlung von Honorar für dienstlich erlangte Informationen zählen. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG kann dies jedoch dann nicht gelten, wenn die Durchsuchung und Beschlagnahme nicht auf einen konkreten Verdacht gerade gegenüber den betroffenen Presseangehörigen gestützt ist, sondern dem vorrangigen Zweck dient, Verdachtsgründe gegen den Informanten zu finden. Eine Durchsuchung erfordert vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat, die den Beschlagnahmeschutz des § 97 Abs. 5 S. 1 StPO entfallen lässt. Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass dienstliche Informationen an die Presse weitergegeben wurden, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Im vorliegenden Fall ging es den Strafverfolgungsbehörden, wie auch in dem angefochtenen landgerichtlichen Beschluss deutlich wurde, zumindest vorwiegend um die Ermittlung belastender Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen. Diesem sollten Geldbeträge für Informationen zu bevorstehenden Ermittlungsmaßnahmen gezahlt worden sein. Bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwerdeführern handelte es sich jedoch um bloße Mutmaßungen. Zum einen berichtete nicht der beschwerdeführende Zeitungsverlag über die bevorstehende Razzia, sondern ein mit diesem nicht zusammenhängendes Online-Portal. Zu anderen ließ sich aus dem bloßen Umstand, dass der mitbeschuldigte Polizeibeamte ein auf eine fingierte Person angemeldetes "Journalisten-Handy" nutzte, nicht auf einen Tatverdacht der Bestechung gerade gegen die Beschwerdeführer schließen. Auch aus dem Vermerk auf der Rechnung ließ sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Bestechung schließen.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 61 vom 28.8.2015