24.11.2014

E-Zigarette kein Arzneimittel oder Medizinprodukt

Nikotinhaltige Flüssigkeiten (sog. Liquids), die mittels elektronischer Zigaretten (sog. E-Zigaretten) verdampft und inhaliert werden, sind keine Arzneimittel. Die E-Zigarette selbst ist dementsprechend kein Medizinprodukt.

BVerwG 20.11.2014, 3 C 25.13 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin im ersten Verfahren betrieb in Wuppertal seit Dezember 2011 ein Ladengeschäft für E-Zigaretten und Zubehör. Im Februar 2012 untersagte ihr die beklagte Stadt den Vertrieb nikotinhaltiger Liquids in verschiedenen Stärken mit der Begründung, es handele sich um Arzneimittel, die wegen Fehlens der erforderlichen Zulassung nicht verkehrsfähig seien.

Das VG wies die gegen die Untersagungsverfügung gerichtete Klage ab. Das OVG gab der Klage statt und hob den angefochtenen Bescheid auf, weil die beanstandeten Liquids keine Arzneimittel seien. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BVerwG keinen Erfolg.


In einem zweiten Verfahren wandte sich die klagende Herstellerin von E-Zigaretten und liquidhaltigen Filterkartuschen gegen eine im Dezember 2011 veröffentlichte Pressemitteilung des beklagten nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums. Darin wurde vor dem Handel und Verkauf von E-Zigaretten und Liquids gewarnt und u. a. darauf hingewiesen, dass nikotinhaltige Liquids nur mit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürften; E-Zigaretten dürften nur unter Einhaltung der Kennzeichnungspflichten nach dem MPG vertrieben werden.

Das VG wies die auf Unterlassung dieser Äußerungen gerichtete Klage ab. Das OVG gab der Klage statt und untersagt dem beklagten Land die Äußerungen. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BVerwG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Im ersten Verfahren entschied, das BverwG, dass die nikotinhaltigen Liquids keine Arzneimittel i.S.d. AMG sind. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen eines (sog.) Präsentationsarzneimittels. Liquids werden nicht als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten vermarktet ("präsentiert"); ebenso wenig lässt die Produktaufmachung beim Verbraucher den Eindruck eines Arzneimittels entstehen. Die Liquids sind auch keine (sog.) Funktionsarzneimittel. Zwar ist Nikotin ein Stoff, der die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung nennenswert beeinflusst. Jedoch ist die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, von Fall zu Fall zu treffen; dabei sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen.

Anhand dieser Gesamtbetrachtung ist das OVG ohne Rechtsfehler zu dem Schluss gelangt, dass den Liquids keine Arzneimitteleigenschaft zukommt. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen fehlt den Liquids eine therapeutische Eignung, weil sich ein Nutzen der E-Zigarette als Hilfsmittel für eine dauerhafte Rauch- und Nikotinentwöhnung wissenschaftlich nicht belegen lässt. Entsprechend messen die Verbraucher nikotinhaltigen Liquids überwiegend keine arzneiliche Zweckbestimmung bei, sondern verwenden sie als Genussmittel.


Im zweiten Verfahren kann die Klägerin die Unterlassung der amtlichen Äußerungen beanspruchen, weil das staatliche Informationshandeln sie in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung verletzt hat. Nach den Feststellungen des OVG beeinträchtigten die öffentlichen Äußerungen die Wettbewerbsposition der Klägerin am Markt faktisch ähnlich wie eine Verkaufsbeschränkung. Wegen dieser verbotsähnlichen Wirkung war das Informationshandeln ein funktionales Äquivalent zu einer klassischen Verwaltungsmaßnahme mittels hoheitlicher Regelung und unterlag deshalb den dafür geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen. Danach waren die Äußerungen des Ministeriums rechtswidrig, weil es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlte. Zwar erlauben die Vorschriften des AMG und des MPG den Überwachungsbehörden erforderlichenfalls auch ein Handeln durch öffentliche Warnungen. Hier aber sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die Liquids und E-Zigaretten nicht den arzneimittel- und medizinprodukterechtlichen Vorschriften unterfallen.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie die Pressemitteilung hier.

BVerwG PM Nr. 68 vom 20.11.2014
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