Einer von uns: EU-Kommission muss hinsichtlich der Europäischen Bürgerinitiative keinen Legislativvorschlag vorlegen
EuG 23.4.2018, T-561/14Nach dem EU-Vertrag können Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen muss und die aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten stammen müssen, die Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse dem Unionsgesetzgeber den Erlass eines Rechtsakts zur Umsetzung der Verträge vorzuschlagen ("Europäische Bürgerinitiative"). Bevor die Organisatoren einer Europäischen Bürgerinitiative mit der Sammlung der erforderlichen Zahl von Unterschriften beginnen können, müssen sie die Initiative bei der Kommission anmelden; diese prüft insbesondere den Gegenstand und die Ziele der geplanten Bürgerinitiative.
Im Jahr 2012 wurde bei der Kommission der Vorschlag für die Europäische Bürgerinitiative "Einer von uns" angemeldet. Mit ihr soll erreicht werden, dass die Union die Finanzierung von Tätigkeiten verbietet und unterbindet, die mit der Zerstörung menschlicher Embryonen (insbesondere in den Bereichen Forschung, Entwicklungszusammenarbeit und öffentliche Gesundheit) verbunden sind, einschließlich der unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Nach ihrer Registrierung sammelte die Initiative die erforderliche Zahl von einer Million Unterschriften, bevor sie Anfang 2014 offiziell der Kommission vorgelegt wurde. Im Mai 2014 teilte die Kommission mit, dass sie nicht tätig werden wolle. Die Organisatoren der Initiative erhoben daraufhin Klage auf Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission.
Das EuG wies die Klage ab. Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim EuGH eingelegt werden.
Die Gründe:
Die EU-Verträge haben der Kommission in Bezug auf das legislative Initiativrecht quasi ein Monopol eingeräumt. Die Kommission kann durch die Ausübung des Rechts auf eine Europäische Bürgerinitiative nicht dazu gezwungen werden, einen Vorschlag für einen Rechtsakt zu unterbreiten. Andernfalls würde der Kommission im Anschluss an eine Europäische Bürgerinitiative jedes Ermessen bei der Ausübung ihres Initiativrechts für Gesetzesvorschläge genommen.
Die vorliegende Mitteilung der Kommission ist auch hinreichend begründet. Die Kommission hat insbesondere ausgeführt, da die Ausgaben der Union mit den EU-Verträgen und der Charta der Grundrechte im Einklang stehen müssten, gewährleiste das Unionsrecht, dass alle Ausgaben der Union, auch solche in den Bereichen Forschung, Entwicklungszusammenarbeit und öffentliche Gesundheit, die Menschenwürde, das Recht auf Leben und das Recht auf die Unversehrtheit der Person wahrten. Zudem gehe das geltende Unionsrecht bereits auf eine Reihe wichtiger Anliegen der Organisatoren der Initiative ein; dazu gehöre, dass die Union keine Zerstörung menschlicher Embryonen finanziere und angemessene Kontrollen vorsehe. Überdies trage die Unterstützung der Entwicklungsländer seitens der Union im Gesundheitsbereich durch die Verschaffung eines Zugangs zu sicheren und hochwertigen Diensten erheblich zur Senkung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei; bei einem Verbot der Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den Entwicklungsländern wäre die Union nicht mehr in der Lage, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere in Bezug auf die Gesundheit der Mütter, festgelegten Ziele zu erreichen.
Es liegt auch kein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission vor. Ohne einen solchen Fehler zu begehen, hat die Kommission dem Recht auf Leben und der Menschenwürde menschlicher Embryonen Rechnung getragen und zugleich auch die Bedürfnisse der Stammzellenforschung berücksichtigt, die es ermöglichen kann, derzeit noch unheilbare oder lebensbedrohliche Krankheiten wie die Parkinson-Krankheit, Diabetes, Schlaganfälle, Herzerkrankungen und Erblindung zu behandeln. Desgleichen hat die Kommission den Zusammenhang zwischen unsachgemäß ausgeführten Schwangerschaftsabbrüchen und der Müttersterblichkeit dargetan, wobei sie ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler zu dem Schluss gelangen konnte, dass die Union bei einem Finanzierungsverbot nicht mehr in der Lage wäre, das Ziel einer Verringerung der Müttersterblichkeit zu erreichen.
Linkhinweis:
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