Einwendungsausschluss im Haftungsverfahren
Kurzbesprechung
BFH v. 16.5 2017 - VII R 25/16
AO § 69, § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1, § 166
InsO § 176, § 178, § 201 Abs. 2
Im Streitfall ging es um die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme eines GmbH - Geschäftsführers für rückständige Lohnsteuern nach § 69 AO. Die GmbH war in Insolvenz geraten und die rückständigen Lohnsteuerbeträge wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Prüfungstermin mangels Widerspruch zur Tabelle festgestellt.
Der BFH entschied, dass in einem solchen Fall die Rechtswirkungen des § 166 AO eintreten, d.h. der Haftungsschuldner muss die gegenüber der GmbH unanfechtbar festgesetzte Steuer gegen sich gelten zu lassen, da er in der Lage gewesen wäre, den gegen die GmbH erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Die mit Präklusionswirkung ausgestattete Regelung will verhindern, dass das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführte Verfahren nochmals aufgerollt und dadurch das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird; wobei der Gesetzgeber dem Anfechtungsberechtigten zumutet, selbst dafür Sorge zu tragen, wie er die ihm eingeräumte uneingeschränkte Rechtsmittelbefugnis sicherstellen will.
Allerdings tritt die Drittwirkung der unanfechtbaren nicht ein, wenn der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH nicht während der gesamten Dauer der Rechtsmittelfrist berechtigt gewesen ist, als Vertreter der GmbH zu handeln oder wenn er seine Vertretungsbefugnis zu einem Zeitpunkt verloren hat, zu dem er noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist und dem damit verbundenen Wegfall des Vorbehalts (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung der unter Vorbehalt festgesetzten Steuer hätte stellen können. Jedoch ist eine solche Einschränkung des § 166 AO nicht über den Prüfungstermin hinaus geboten, in dem der spätere Haftungsschuldner als Vertreter des Steuerschuldners Einwendungen hätte erheben können.
Im Prüfungstermin hatte das FA die gegenüber der GmbH bestehenden Steuerforderungen zur Tabelle angemeldet, die so im Wesentlichen auch festgestellt wurden. Der Haftungsschuldner hatte somit die Möglichkeit, durch einen im Prüfungstermin erhobenen Widerspruch den Grund und die Höhe der Primärschuld nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, so dass ihm rechtliches Gehör nicht versagt worden war.
Außerdem war im Streitfall die durch § 166 AO herbeigeführte Drittwirkung der Steuerfestsetzung nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Haftungsschuldner seine Vertretungsbefugnis noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist verloren hatte und somit daran gehindert gewesen war, diese Frist zur Stellung eines Änderungsantrags nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO voll auszuschöpfen. Denn die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung zu erheben, war ihm deshalb zu versagen, weil er in der Lage gewesen war, im Prüfungstermin nach § 178 Abs. 1 InsO einen Widerspruch gegen die vom FA geltend gemachten Forderungen zu erheben. Durch seinen Widerspruch kann sich der Haftungsschuldner die Möglichkeit vorbehalten, nach Aufheung des Insolvenzverfahrens vor dem FG ein streitiges Verfahren über die Berechtigung des angemeldeten Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zu führen.
§ 166 AO soll verhindern, dass der Haftungsschuldner das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführte Verfahren nochmals aufrollt und dadurch zusätzlichen Aufwand sowie eine Verzögerung der Durchsetzung des Haftungsanspruchs verursacht. Aufgrund der Rechtswirkungen, die mit einem Widerspruch im Insolvenzverfahren verbunden sind, ist das Versäumnis eines solchen mit dem Versäumnis einer Anfechtungsmöglichkeit gleich zu erachten, so dass §166 AO auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist.
BFH, Urteil vom 16.5.2017, VII R 25/16, veröffentlicht am 26.7.2017
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 69, § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1, § 166
InsO § 176, § 178, § 201 Abs. 2
Im Streitfall ging es um die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme eines GmbH - Geschäftsführers für rückständige Lohnsteuern nach § 69 AO. Die GmbH war in Insolvenz geraten und die rückständigen Lohnsteuerbeträge wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Prüfungstermin mangels Widerspruch zur Tabelle festgestellt.
Der BFH entschied, dass in einem solchen Fall die Rechtswirkungen des § 166 AO eintreten, d.h. der Haftungsschuldner muss die gegenüber der GmbH unanfechtbar festgesetzte Steuer gegen sich gelten zu lassen, da er in der Lage gewesen wäre, den gegen die GmbH erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Die mit Präklusionswirkung ausgestattete Regelung will verhindern, dass das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführte Verfahren nochmals aufgerollt und dadurch das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird; wobei der Gesetzgeber dem Anfechtungsberechtigten zumutet, selbst dafür Sorge zu tragen, wie er die ihm eingeräumte uneingeschränkte Rechtsmittelbefugnis sicherstellen will.
Allerdings tritt die Drittwirkung der unanfechtbaren nicht ein, wenn der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH nicht während der gesamten Dauer der Rechtsmittelfrist berechtigt gewesen ist, als Vertreter der GmbH zu handeln oder wenn er seine Vertretungsbefugnis zu einem Zeitpunkt verloren hat, zu dem er noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist und dem damit verbundenen Wegfall des Vorbehalts (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung der unter Vorbehalt festgesetzten Steuer hätte stellen können. Jedoch ist eine solche Einschränkung des § 166 AO nicht über den Prüfungstermin hinaus geboten, in dem der spätere Haftungsschuldner als Vertreter des Steuerschuldners Einwendungen hätte erheben können.
Im Prüfungstermin hatte das FA die gegenüber der GmbH bestehenden Steuerforderungen zur Tabelle angemeldet, die so im Wesentlichen auch festgestellt wurden. Der Haftungsschuldner hatte somit die Möglichkeit, durch einen im Prüfungstermin erhobenen Widerspruch den Grund und die Höhe der Primärschuld nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, so dass ihm rechtliches Gehör nicht versagt worden war.
Außerdem war im Streitfall die durch § 166 AO herbeigeführte Drittwirkung der Steuerfestsetzung nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Haftungsschuldner seine Vertretungsbefugnis noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist verloren hatte und somit daran gehindert gewesen war, diese Frist zur Stellung eines Änderungsantrags nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO voll auszuschöpfen. Denn die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung zu erheben, war ihm deshalb zu versagen, weil er in der Lage gewesen war, im Prüfungstermin nach § 178 Abs. 1 InsO einen Widerspruch gegen die vom FA geltend gemachten Forderungen zu erheben. Durch seinen Widerspruch kann sich der Haftungsschuldner die Möglichkeit vorbehalten, nach Aufheung des Insolvenzverfahrens vor dem FG ein streitiges Verfahren über die Berechtigung des angemeldeten Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zu führen.
§ 166 AO soll verhindern, dass der Haftungsschuldner das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführte Verfahren nochmals aufrollt und dadurch zusätzlichen Aufwand sowie eine Verzögerung der Durchsetzung des Haftungsanspruchs verursacht. Aufgrund der Rechtswirkungen, die mit einem Widerspruch im Insolvenzverfahren verbunden sind, ist das Versäumnis eines solchen mit dem Versäumnis einer Anfechtungsmöglichkeit gleich zu erachten, so dass §166 AO auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist.
BFH, Urteil vom 16.5.2017, VII R 25/16, veröffentlicht am 26.7.2017