Eisglatter Gehweg: Hobelspäne als Streumittel ungeeignet
OLG Hamm 24.11.2014, 6 U 92/12Die Klägerin stürzte im Januar 2011 auf dem Gehweg vor dem an die Zweitbeklagte vermieteten Haus der Erstbeklagten. Den eisglatten Gehweg hatte die Zweitbeklagte mit Hobelspänen abgestreut. Bei dem Sturz brach sich die Klägerin einen Oberarm. Ihre Verletzung musste in der Folgezeit operiert werden.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihr die sturzbedingten, derzeit noch nicht näher zu beziffernden Schäden zu ersetzen. Die Beklagten sind demgegenüber der Ansicht, ihrer winterlichen Streupflicht mit dem Aufbringen der Hobelspäne genügt zu haben. Die Zweitbeklagte machte zudem geltend, dass ihre Streumittel aufgrund der seit Dezember 2010 herrschenden extremen winterlichen Verhältnisse seinerzeit aufgebraucht und andere Streumittel nicht mehr zu erwerben gewesen seien.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage teilweise statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das OLG hat festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin 50 Prozent des ihr durch den Sturz auf dem Gehweg entstandenen Schadens zu ersetzen.
Die Klägerin hat nachgewiesen, dass sie auf dem glatten Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten ausgerutscht und gestürzt ist. Die Glätte beruht auf einem verkehrswidrigen Zustand des Gehweges, für den beide Beklagten verantwortlich sind. Die Zweitbeklagte hatte nach dem Mietvertrag den Winterdienst zu erledigen. Diese Pflicht hat sie mit dem Streuen der Hobelspäne verletzt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hatten die verwandten Hobelspäne keine abstumpfende Wirkung, weil sie sich mit Feuchtigkeit vollgesaugt haben und so zu einer Art Eisflocken mit Rutscheffekt geworden sind.
Daher waren sie als Streumittel ungeeignet. Dies hätte die Zweitbeklagte durch eine Untersuchung vor Ort auch leicht feststellen können. Darauf, keine anderen Streumittel zur Verfügung gehabt zu haben, kann sich die Zweitbeklagte nicht berufen, weil sie nicht konkret dargetan hat, in welchem Umfang sie sich zuvor bevorratet und wo sie vergeblich Streugut zu beschaffen versucht hat. Die erstbeklagte Eigentümerin, der der Einsatz der Hobelspäne bekannt war, haftet, weil sie die ihr insoweit obliegende Aufsichts- und Kontrollpflicht verletzt hat.
Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten besteht jedoch nur in einem reduzierten Umfang, weil die Klägerin zu 50 Prozent für den Unfall mitverantwortlich ist. Sie hat eine erkennbar glatte Stelle betreten und ist gestürzt, nachdem sie zuvor den als vereist erkannten Gehweg gemieden hat und auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn gegangen ist. Auch wenn sie wegen eines Pkw kurz vor dem Unfall von der Fahrbahn auf den Gehweg gewechselt ist, wäre es zu ihrem Eigenschutz geboten gewesen, die Vorbeifahrt des Pkw am Fahrbahnrand abzuwarten und ihren Weg erst dann auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn fortzusetzen.
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