Elternunterhalt: Erhöhung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit durch Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB?
BGH v. 20.2.2019 - XII ZB 364/18Der Antragsteller macht als Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Elternunterhalt für die Zeit von Mai 2017 bis November 2017 geltend. Der Antragsteller erbrachte der pflegebedürftigen Mutter des Antragsgegners, die vollstationär in einem Altersheim untergebracht war, ab März 2017 Sozialhilfeleistungen. Die Mutter verstarb im Dezember 2017. Der 1951 geborene Antragsgegner ist verheiratet und bezieht Renteneinkünfte. Seine 1954 geborene Ehefrau bezieht Vorruhestandsbezüge als Beamtin. Sie wird vom Antragsteller im vor dem Senat geführten Parallelverfahren (Az. XII ZB 365/18) für ihre Mutter ebenfalls auf Elternunterhalt in Anspruch genommen.
Die Ehegatten bewohnen eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 91 qm, die ursprünglich in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum stand. Im Oktober 2014 übertrugen sie die Eigentumswohnung schenkweise auf ihre Tochter und behielten sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Die Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob von den Ehegatten zu verlangen ist, dass sie die Schenkung zurückfordern, um daraus im erweiterten Umfang Elternunterhalt leisten zu können.
Das AG verpflichtete den Antragsgegner für die Zeit von Mai 2017 bis Oktober 2017 zur Zahlung von insgesamt rd. 970 € nebst Zinsen. Das OLG bezog auf die Beschwerde des Antragstellers den Unterhalt für November 2017 ein und erhöhte die Verpflichtung auf rd. 1.160 € nebst Zinsen. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er eine Erhöhung der Zahlung auf insgesamt rd. 2.300 € begehrte, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der vorliegend aufgrund §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1 SGB XII geltend gemachte Anspruch auf Elternunterhalt besteht nur im Umfang der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als Unterhaltsschuldner nach § 1603 Abs. 1 BGB. Der vom OLG aus dem Einkommen des Antragsgegners (Renteneinkünfte und Wohnvorteil) errechnete Umfang der Leistungsfähigkeit steht grundsätzlich mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang. Das OLG hat eine Obliegenheit des Antragsgegners, den Unterhalt (teilweise) aus Vermögen zu leisten, zutreffend abgelehnt. Für eine Zurechnung von fiktiven Erlösen aus einer Vermögensverwertung fehlt es hier an einer rechtlichen Grundlage.
Im Ausgangspunkt gehört ein Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB zwar zum einsetzbaren Vermögen gem. § 1603 Abs. 1 BGB. Vorliegend mangelt es im aber bereits an den Voraussetzungen für eine Schenkungsrückforderung. Die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage hat zu keiner Beeinträchtigung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners geführt. Denn hinsichtlich des Miteigentumsanteils an der selbst genutzten Eigentumswohnung traf diesen neben der bestehenden Nutzungsobliegenheit keine Obliegenheit zur Vermögensverwertung. Die Nutzungen kommen dem Antragsgegner auch nach der Veräußerung in Form von Gebrauchsvorteilen weiterhin ungeschmälert zugute. Sie sind durch den Nießbrauch dinglich gesichert und bei der Unterhaltsberechnung als Einkommen berücksichtigt worden.
Daran ändert auch die BGH-Rechtsprechung nichts, wonach der Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, wenn ein fortlaufender Unterhaltsbedarf zu decken ist, unmittelbar auf wiederkehrende Geldleistungen durch den Beschenkten gerichtet ist und für die Anwendung der Ersetzungsbefugnis nach § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum mehr bleibt. Das muss jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls gelten, in dem der Nutzungswert der Immobilie dem Antragsgegner auch nach der Schenkung in vollem Umfang verblieben ist. Das OLG hat insoweit zutreffend hervorgehoben, dass die Tochter des Antragsgegners sich von einem gegebenen Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB jedenfalls durch Rückgewähr des Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung befreien könnte. Sogar eine vollständige Rückgewähr könnte aber die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als Schenker nicht erhöhen. Die Vorschrift vermag daher eine Rückforderung zum Zweck der Herstellung einer erhöhten Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt nicht zu rechtfertigen.
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