24.08.2017

Entfallen der Geschäftsgrundlage bei tatsächlicher Verständigung

Einer tatsächlichen Verständigung kommt keine Bindungswirkung zu, wenn ein Umstand, den beide Parteien der Vereinbarung als Geschäftsgrundlage zugrunde gelegt haben, von vornherein gefehlt hat.

Kurzbesprechung
BFH v. 11.4.2017 - IX R 24/15

AO §§ 4, 88
BGB § 313 Abs. 2, Abs. 3
VwVfG § 60

Im Streitfall ging es um einen Verlust aus der insolvenzbedingten Auflösung einer GmbH für das Streitjahr 2007. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens schlossen die Steuerpflichtigen auf Vorschlag des FG mit dem FA eine tatsächliche Verständigung, wonach in tatsächlicher Hinsicht von einem bereits im Jahr 2005 entstandenen Verlust ausgegangen werden sollte. Bei der Umsetzung der Vereinbarung stellte das FA jedoch fest, dass die Einkommensteuerfestsetzung 2005 wegen einer seinerzeit erfolgten Einspruchsrücknahme nicht mehr änderbar war. Die Steuerpflichtigen machten im FG-Verfahren erfolglos geltend, dass die tatsächliche Verständigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufzuheben und der Auflösungsverlust im anhängigen Streitjahr 2007 anzusetzen sei.

Der BFH sieht dies jedoch anders und hat im Revisionsverfahren die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Er entschied, dass die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfällt, wenn ein wesentlicher Umstand, den die Parteien als gemeinsame Grundlage der Verständigung vorausgesetzt haben, nicht vorliegt, sodass ein Festhalten an der Vereinbarung jedenfalls einem der Beteiligten nicht zuzumuten ist.

Genau dies war jedoch im Streitfall geschehen, denn die Beteiligten waren bei Vereinbarung der tatsächlichen Verständigung übereinstimmend von der verfahrensrechtlichen Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids 2005 ausgegangen, mit der Folge, dass der im Streitjahr 2007 in Rede stehende Verlust nun einvernehmlich im Rahmen einer Bescheidänderung für den Veranlagungszeitraum 2005 zu berücksichtigen war. Da diese angenommene gemeinsame Geschäftsgrundlage jedoch von vornherein gefehlt hatte, kommt der tatsächlichen Verständigung keine Bindungswirkung zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob in Bezug auf die Fehlvorstellung ein Verschulden der Steuerpflichtigen vorliegt.

Im zweiten Rechtsgang muss das FG nun ohne Bindung an die Verständigung prüfen, ob der Auflösungsverlust ggf. im Streitjahr 2007 zu berücksichtigen ist.

BFH, Beschluss vom 11.4.2017 - IX R 24/15, veröffentlicht am 23.8.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt