31.01.2019

Erbauseinandersetzung bei zivilrechtlicher Nachlassspaltung

Setzen sich die Miterben im Fall der zivilrechtlichen Nachlassspaltung unter Einbeziehung aller personengleichen Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinander, dass sie sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen, ist auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen.

Kurzbesprechung
BFH v. 10.10.2018 - IX R 1/17

EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7

HGB § 255 Abs. 1

Der Steuerpflichtige ist zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern (A, B und C) Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Zum Nachlass gehörten drei in den "alten" Bundesländern gelegene Grundstücke (X, Y und Z) und ein, im Zeitpunkt des Erbfalls auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gelegenes, mit einem Mehrfamilienhaus bebautes, Grundstück (W). Nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Erbscheins wurde der Erblasser von der Mutter des Steuerpflichtigen zu 1/2 und von dem Steuerpflichtigen und seinen drei Schwestern zu 1/8 jeweils beerbt. Hinsichtlich des in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks W wurde der Erblasser von der Mutter des Steuerpflichtigen zu 1/4 und von dem Steuerpflichtigen und seinen drei Schwestern zu 3/16 jeweils beerbt.

Der Mutter des Steuerpflichtigen war an den vier Grundstücken ein Nießbrauch eingeräumt. Im Zusammenhang mit der Modernisierung des Gebäudes auf dem Grundstück W nahm sie als Darlehensnehmerin in den Jahren 1998 bis 2002 vier Darlehen in Höhe von insgesamt 256.000 € auf. Die Aufwendungen für die Modernisierung machte sie bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend.

Mit notariellem Vertrag vom 6.10.2008 setzte sich die Erbengemeinschaft auseinander. Die für das Grundstück W aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten valutierten zu dieser Zeit noch in Höhe von insgesamt 231.077,14 €. Der Steuerpflichtige erhielt das Grundstück W zu Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm er zwei der vier Darlehensverträge seiner Mutter sofort und verpflichtete sich, seine Mutter von den Darlehenszahlungen der beiden anderen Darlehensverträge freizustellen und diese Verträge zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls zu übernehmen. Die von der Mutter unterhaltenen Kontokorrentkonten wurden im Innenverhältnis dem Steuerpflichtigen zugeordnet, dieser erhielt zudem den Geschäftsanteil an der M‑Bank im Wert von 10.500 € rückwirkend zum 1.1. 2008.

Der Steuerpflichtige erhielt außerdem das lastenfreie Grundstück X zu Alleineigentum übertragen und verpflichtete sich im Gegenzug, seiner Schwester C eine Abfindung in Höhe von 20.000 € zu zahlen. Das Grundstück Y wurde seiner Mutter und seiner Schwester A übertragen; die im Grundbuch für das Grundstück verzeichneten Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 52.305 € übernahmen diese gemeinsam. A verpflichtete sich zu einer Ausgleichszahlung an ihre Schwester B in Höhe von 50.000 €. Die Mutter erhielt weiterhin das Grundstück Z zu Alleineigentum. Der Gegenstandswert der Auseinandersetzungsvereinbarung entfiel in Höhe von 240.000 € auf das Grundstück W, im Übrigen auf die Grundstücke X, Y, Z sowie auf die Ausgleichszahlungen der Geschwister untereinander und die Übernahme des Geschäftsanteils an der M‑Bank. Die Kosten der Auseinandersetzungsvereinbarung und ihrer Durchführung trug der Steuerpflichtige.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Steuerpflichtige bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten für das bebaute Grundstück W Absetzungen für Abnutzung (AfA) geltend, dies FA jedoch nicht anerkannte. Nachdem das FG der Klage überwiegend stattgegeben hatte, hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und erwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben Anschaffungskosten sein, z.B. wenn er die Erbanteile anderer Miterben erwirbt. Verteilen die Miterben dagegen das Gemeinschaftsvermögen unter sich, um die Gemeinschaft zu beenden, liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft. Bei einer derartigen Realteilung des Nachlasses ist der übernehmende Miterbe entsprechend § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV auf die Fortführung der von der Erbengemeinschaft anzusetzenden Anschaffungskosten oder Herstellungskosten verwiesen.

Wie sich das dem Miterben entsprechend seiner Erbquote zugeteilte Nachlassvermögen zusammensetzt, hat keine Bedeutung. Die wertmäßige Angleichung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt. Auch soweit dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, führt dies noch nicht zu Anschaffungskosten. Übersteigt aber der Wert des Erlangten den Wert seines Erbanteils und muss der begünstigte Erbe deshalb an einen oder mehrere Miterben Ausgleichszahlungen leisten, bilden sie für ihn Anschaffungskosten.

Im Streitfall war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass zivilrechtlich eine Nachlassspaltung eingetreten ist. Denn der Steuerpflichtige ist zusammen mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern Erbe nach seinem im Mai 1990 verstorbenen Vater, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Zum Nachlass gehörten u.a. drei in den "alten" Bundesländern gelegene Grundstücke sowie das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute und im Zeitpunkt des Erbfalls auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelegene Grundstück W. Zivilrechtlich richtet sich die Erbfolge demnach grundsätzlich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Für die erbrechtlichen Verhältnisse des in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks W ist hingegen noch das Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB‑DDR) maßgebend. Neben der Erbengemeinschaft, zu welcher der in den alten Bundesländern belegene Nachlass gehörte, bestand damit eine personengleiche weitere Erbengemeinschaft, die gemäß § 400 Abs. 1 ZGB-DDR das Gesamteigentum an dem Grundstück W in der ehemaligen DDR innehatte.

Die Nachlassspaltung konnte jedoch nicht ohne weiteres auch der ertragsteuerlichen Beurteilung der Erbauseinandersetzung zugrunde gelegt werden. Den Miterben steht es vielmehr frei, ob sie die Nachlassspaltung bei der Auseinandersetzung ihrer Gemeinschaften beachten. Sie können der zivilrechtlichen Nachlassspaltung folgen und jede Erbengemeinschaft getrennt auseinandersetzen. Dann kommt es für die ertragsteuerliche Beurteilung auf die jeweilige Auseinandersetzung an. Die Miterben können sich aber auch unter Einbeziehung beider bzw. aller Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinandersetzen, dass sie sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen.

Ist dies wie im Streitfall der Fall, so ist aber auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen. Bei dieser Gestaltung erhalten die Miterben mehr Möglichkeiten, sich unter Einbeziehung sämtlicher Nachlassgegenstände steuerneutral auseinanderzusetzen, als wenn sie an die zivilrechtliche Nachlassspaltung gebunden wären.

Im Streitfall hatte das FG (von seinem Standpunkt aus zu Recht) bisher nicht vollständig festgestellt, wie sich die Miterben im Zuge der Auflösung der beiden Erbengemeinschaften auseinandergesetzt haben. Dies wird es im zweiten Rechtsgang nachholen müssen, um abschließend beurteilen zu können, inwieweit und ggf. bezüglich welcher Objekte dabei Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge verwirklicht worden sind.

BFH, Urteil vom 10.10.2018, IX R 1/17, veröffentlicht am 30.1.2019.

Verlag Dr. Otto Schmidt