14.12.2018

Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Der Fiskus (die öffentliche Hand), der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, muss für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass haften. Nur wenn der Fiskus seine Rolle als Nachlassabwickler verlässt, er also zu erkennen gibt, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, ist es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist.

BGH v. 14.12.2018 - V ZR 309/17
Der Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer.

Mit Schreiben vom 5.6.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag wurde im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers eröffnet. Der Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Im Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert.

In der Zwischenzeit erwirkte die Beklagte gegen den Kläger das Wohngeld betreffend drei Anerkenntnisurteile für einen Zeitraum ab September 2009. Aus diesen Urteilen, in denen dem Kläger jeweils die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten wurde, betreibt die Beklag die Zwangsvollstreckung. Mit der Vollstreckungsgegenklage möchte der Kläger gestützt auf die sog. Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 Abs. 1 BGB erreichen, dass die Zwangsvollstreckung in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig erklärt wird.

Das AG hat der Klage stattgegeben; das LG hat sie abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der BGH die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gründe:

Das LG muss noch die von ihm bislang offen gelassene Frage zu klären, ob der Nachlass tatsächlich dürftig i.S.d. § 1990 Abs. 1 BGB ist.

Bei den titulierten Wohngeldschulden handelt es sich nicht um Eigenverbindlichkeiten des Klägers, sondern um Nachlassverbindlichkeiten, die den Kläger grundsätzlich zur Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 Abs. 1 BGB berechtigen.

Andere Erben als der Fiskus haften nach Senats-Rechtsprechung für die nach dem Erbfall fällig werdenden Wohngeldschulden spätestens dann auch mit ihrem eigenen Vermögen, wenn sie die Erbschaft angenommen haben oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. Dies lässt sich auf die Haftung des zum gesetzlichen Alleinerben berufenen Fiskus allerdings nicht übertragen, weil ihm gem. § 1942 Abs. 2 BGB das Recht versagt ist, die Erbschaft auszuschlagen.

Ob ein Verhalten des Fiskus die Qualifizierung der Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeit rechtfertigt, muss deshalb unter Berücksichtigung des Zwecks und der Besonderheiten des Fiskalerbrechts nach anderen Kriterien bestimmt werden. Hiernach stellen Wohngeldschulden in aller Regel nur Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Fiskus nimmt insofern eine Ordnungsfunktion wahr. Denn herrenlose Nachlässe sollen vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung soll gesichert werden. Deshalb wird der Fiskus in aller Regel bei seinen Handlungen nur seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen, den Nachlass abzuwickeln.

Nur wenn der Fiskus seine Rolle als Nachlassabwickler verlässt, er also zu erkennen gibt, die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen zu wollen, ist es gerechtfertigt, die Wohngeldschulden als Eigenverbindlichkeiten zu qualifizieren, bei denen eine Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird durch die Annahme einer Nachlassverbindlichkeit auch nicht unangemessen benachteiligt. Sie kann nämlich in der Regel ihre Rechte im Wege der Zwangsversteigerung effektiv durchsetzen, weil die Wohngeldansprüche in dem Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG bevorrechtigt sind und den Rechten der nachfolgenden Rangklassen - insbesondere denjenigen von Kreditgebern und Vormerkungsberechtigten - vorgehen.

Infolgedessen fehlt es hier an einem Verhalten des Klägers, das über die Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltung und der Abwicklung des Nachlasses hinausgeht und den Schluss zulässt, der Kläger wolle die Wohnung für eigene Zwecke nutzen.

Linkhinweise:

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BGH PM Nr. 187 vom 14.12.2018