Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit
Kurzbesprechung
BFH v. 5.4.2017- II R 30/15
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 83 Abs. 1
AO § 251
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dürfen Steuerbescheide, die Insolvenzforderungen betreffen, nicht mehr ergehen. Das folgt aus dem in § 251 Abs. 2 Satz 1 AO normierten Grundsatz, wonach Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die Insolvenzforderungen sind, nach Insolvenzeröffnung nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung geltend gemacht werden dürfen. Diese Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind zur Insolvenztabelle anzumelden und - im Falle des Bestreitens - durch Insolvenzfeststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO gegenüber dem Insolvenzverwalter festzustellen. Ergeht ein förmlicher Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist dieser unwirksam.
Insolvenzforderungen sind Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an.
Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Einordnung einer Forderung als Masseverbindlichkeit dient der ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und Verteilung der. Dies rechtfertigt die Vorwegbefriedigung der Massegläubiger nach § 53 InsO.
Erbt der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung, hat der BFH nun entschieden, dass die auf den Erwerb entfallende Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen ist.
Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass zunächst vorläufig in die Insolvenzmasse. Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Hat der Insolvenzschuldner die Erbschaft ausdrücklich angenommen oder gilt die Erbschaft nach Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen, kann er sie nach § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen; es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein.
Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) sind aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird, namentlich durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, §§ 1975 ff. BGB.
Im Streitfall war die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls geschuldete Erbschaftsteuer eine Nachlassverbindlichkeit. Denn sie erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld, da sie allein aus Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben entsteht. Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die in der Person des Erben entstehen und die im Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen sind.
Die Erbschaftsteuer auf Erwerbe des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung ist keine Insolvenzforderung, weil der Grund für ihr Entstehen erst durch den Erbanfall und damit nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist. Sie ist vielmehr Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies folgt zwar nicht aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO, denn die Erbschaftsteuer wird nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters ausgelöst. Sie wird jedoch i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet. Dabei erfordert § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO erfordert keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters. Die Vorschrift kann vielmehr auch eine kraft Gesetzes entstehende Steuerschuld erfassen.
Gleiches gilt auch für die Erbschaftsteuer, die deshalb entsteht, weil der Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Erbe wird. Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass der Nachlass in die Insolvenzmasse fällt. Unerheblich ist, dass dies ebenso wie die Entstehung der Steuer ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters geschieht und nach § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nur dem Insolvenzschuldner, nicht aber dem Insolvenzverwalter zusteht. Denn die Erbschaftsteuer beruht nicht auf der Annahme der Erbschaft durch den Insolvenzschuldner, sondern entsteht kraft Gesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB, und zwar bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
BFH, Urteil vom 5.4.2017, II R 30/15, veröffentlicht am 2.8.2017
Verlag Dr. Otto Schmidt
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 83 Abs. 1
AO § 251
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dürfen Steuerbescheide, die Insolvenzforderungen betreffen, nicht mehr ergehen. Das folgt aus dem in § 251 Abs. 2 Satz 1 AO normierten Grundsatz, wonach Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die Insolvenzforderungen sind, nach Insolvenzeröffnung nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung geltend gemacht werden dürfen. Diese Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind zur Insolvenztabelle anzumelden und - im Falle des Bestreitens - durch Insolvenzfeststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO gegenüber dem Insolvenzverwalter festzustellen. Ergeht ein förmlicher Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist dieser unwirksam.
Insolvenzforderungen sind Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an.
Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Einordnung einer Forderung als Masseverbindlichkeit dient der ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und Verteilung der. Dies rechtfertigt die Vorwegbefriedigung der Massegläubiger nach § 53 InsO.
Erbt der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung, hat der BFH nun entschieden, dass die auf den Erwerb entfallende Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen ist.
Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass zunächst vorläufig in die Insolvenzmasse. Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Hat der Insolvenzschuldner die Erbschaft ausdrücklich angenommen oder gilt die Erbschaft nach Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen, kann er sie nach § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen; es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein.
Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) sind aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird, namentlich durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, §§ 1975 ff. BGB.
Im Streitfall war die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls geschuldete Erbschaftsteuer eine Nachlassverbindlichkeit. Denn sie erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld, da sie allein aus Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben entsteht. Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die in der Person des Erben entstehen und die im Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen sind.
Die Erbschaftsteuer auf Erwerbe des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung ist keine Insolvenzforderung, weil der Grund für ihr Entstehen erst durch den Erbanfall und damit nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist. Sie ist vielmehr Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies folgt zwar nicht aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO, denn die Erbschaftsteuer wird nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters ausgelöst. Sie wird jedoch i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet. Dabei erfordert § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO erfordert keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters. Die Vorschrift kann vielmehr auch eine kraft Gesetzes entstehende Steuerschuld erfassen.
Gleiches gilt auch für die Erbschaftsteuer, die deshalb entsteht, weil der Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Erbe wird. Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass der Nachlass in die Insolvenzmasse fällt. Unerheblich ist, dass dies ebenso wie die Entstehung der Steuer ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters geschieht und nach § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nur dem Insolvenzschuldner, nicht aber dem Insolvenzverwalter zusteht. Denn die Erbschaftsteuer beruht nicht auf der Annahme der Erbschaft durch den Insolvenzschuldner, sondern entsteht kraft Gesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB, und zwar bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
BFH, Urteil vom 5.4.2017, II R 30/15, veröffentlicht am 2.8.2017