14.04.2016

Erforderliche Zustellung einer beglaubigten Klageabschrift

Das Erfordernis der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klage wurde durch das Zustellungsreformgesetz nicht beseitigt. Bei der durch die Geschäftsstelle veranlassten Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift handelt es sich um eine Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften, die nach § 189 ZPO geheilt werden kann.

BGH 22.12.2015, VI ZR 79/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte die Beklagten im Zusammenhang mit dem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR wegen Prospektmängel auf Schadensersatz in Anspruch. Mit ihrer Ende des Jahres 2011 bei dem LG eingereichten Klage verlangte sie Zahlung und Freistellung Zug um Zug gegen Übertragung des Gesellschaftsanteils sowie Feststellung. Die der Klage beigefügten Abschriften wiesen den Stempel "Beglaubigte Abschrift" auf, waren aber nicht durch Unterschrift des Rechtsanwalts beglaubigt.

Unter Verwendung dieser Abschriften war die Klage den Beklagten zu 1) und 3) bis 8) noch im Jahr 2011 durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Dem Beklagten zu 2), der unbekannten Aufenthalts ist, wurde die Klageschrift durch öffentliche Zustellung zugestellt.

Das LG gab der Klage - in Bezug auf den Beklagten zu 2) durch Versäumnisurteil - im Wesentlichen statt. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Eine Verjährung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche konnte nicht bejaht werden. Die Ansprüche waren durch die im Jahr 2011 erfolgte Zustellung der Klageschrift rechtshängig geworden, § 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1, §§ 166, 168, 169, 189 ZPO, so dass die gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB seit Januar 2002 laufende Verjährungsfrist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wurde.

Zwar ging das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass zur Erhebung der Klage die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift erforderlich ist, § 253 Abs. 1, §§ 166 ff. ZPO. Denn das Erfordernis der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klage ist durch das Zustellungsreformgesetz nicht beseitigt worden. Zu Unrecht meinte das Berufungsgericht aber, der Mangel der ordnungsgemäßen Zustellung der Klageschrift an die Beklagten sei nicht dadurch geheilt worden, dass ihnen einfache Abschriften der Klageschrift zugestellt worden waren, § 189 ZPO.

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in der das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist, § 189 ZPO. So lag es auch hier hinsichtlich der an die Beklagten gerichteten Zustellungen. Die Klageschrift ist den Beklagten tatsächlich zugegangen. Zu Unrecht ging die Vorinstanz davon aus, nach § 189 ZPO sei eine Heilung nur möglich, wenn der Empfänger eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift erhalten habe, und lediglich der Zustellungsvor-gang selbst Mängel aufweise.

Diese Auslegung wird der Vorschrift nicht gerecht. Sie ist vielmehr nach ihrem Wortlaut, dem Bedeutungszusammenhang, ihrem Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte dahin auszulegen, dass es sich bei der durch die Geschäftsstelle veranlassten Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift um eine Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften handelt, die nach § 189 ZPO geheilt werden kann.

Welche Vorschriften Zustellungsvorschriften, ist nach dem Wortlaut nicht eindeutig, sondern muss durch Auslegung ermittelt werden. Nach überwiegender Ansicht vor Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes war die Regelung des § 170 Abs. 1 ZPO a.F. als Zustellungsvorschrift anzusehen. Begründet wurde dies zum einen mit ihrer Stellung bei den Zustellungsvorschriften sowie damit, dass das zuzustellende Schriftstück i.S.v. § 187 ZPO a.F. die Klageschrift (selbst) sei und die Beglaubigung der Abschrift nur zur Wahrung der vorgeschriebenen Form der Zustellung gehöre. Dem schließt sich der Senat für den Fall der Zustellung der Klageschrift auch für den heutigen Rechtszustand nach Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes an.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für den Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück