24.05.2017

Erlass von Steuern aus sachlichen Billigkeitsgründen

Begehrt ein Steuerpflichtiger, der an mehreren Personengesellschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen, weil er übermäßig durch Einkommen- und Gewerbesteuer belastet sei, so ist bei der Entscheidung über den Erlassantrag die bei den Personengesellschaften entstandene Gewerbesteuer, die anteilig auf den Steuerpflichtigen entfällt, unter bestimmten Voraussetzungen einzubeziehen.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.2. 2017 - III R 35/14

AO § 227
GG Art. 14 Abs. 1, 2

Nach §227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Die Entscheidung des FA über den Erlass von Steuern ist eine Ermessensentscheidung, so dass im Gerichtsverfahren nur geprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO). Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben.

Anlass für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen kann eine Übermaßbesteuerung sein, was der Steuerpflichtige im Streitfall geltend gemacht hatte.  Der BFH entschied, dass bezogen auf die Gewerbesteuer ein Erlassgrund anzunehmen sein kann, wenn diese bei einer über mehrere Jahre andauernden Verlustperiode nicht aus dem Ertrag des Unternehmens, sondern aus dessen Substanz geleistet werden muss und dies im Zusammenwirken mit anderen Steuerarten zu existenzgefährdenden oder existenzvernichtenden Härten führt.

Wird   wie im Streitfall eine Übermaßbesteuerung durch eine Kumulation von Einkommen- und Gewerbesteuer geltend gemacht, so hat das FA bei der Entscheidung über einen Erlassantrag nicht nur die Belastung durch die Gewerbesteuer einzubeziehen, für welche der (Einzel ) Unternehmer selbst Steuerschuldner, sondern auch die (anteilige) Gewerbesteuer, die auf der Ebene von Personengesellschaften entstanden ist, an denen der Unternehmer beteiligt ist und für welche die jeweilige Personengesellschaft Steuerschuldnerin ist.

Im Streitfall war die geltend gemachte "übermäßige" Belastung mit Gewerbesteuer zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die negativen Ergebnisse aus Betrieben, die von einzelnen Personengesellschaften, an denen der Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar beteiligt war, unterhalten wurden, für Zwecke der Gewerbesteuer nicht mit den positiven Erträgen aus den Betrieben anderer solcher Gesellschaften verrechnet werden konnten.

Die Unzulässigkeit einer gewerbesteuerrechtlichen Saldierung von positiven und negativen Ergebnissen mehrerer Betriebe i.S. des § 2 Abs.1 GewStG ist eine Folge des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer. Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt "Gewerbebetrieb" anknüpft, losgelöst von den Beziehungen zu einem dahinter stehenden Rechtsträger. Wegen der Eigenschaft der Gewerbesteuer als ertragsorientierter Objektsteuer kann es danach zu Abweichungen vom Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kommen, welches zwar das Einkommensteuerrecht prägt, nach der Rechtsprechung des BVerfG aber bei der Gewerbesteuer allenfalls eingeschränkt So können Hinzurechnungen nach § 8 GewStG, die Ausdruck der Gewerbesteuer als "ertragsorientierte Objektsteuer" sind, sogar zu einer   verfassungsrechtlich zulässigen Substanzbesteuerung führen.

Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass im Streitfall die Belastung des Steuerpflichtigen mit Gewerbesteuer, die auf dem Fehlen einer Verlustverrechnungsmöglichkeit beruht, kein Grund ist, sie durch den Erlass von Einkommensteuer jedenfalls teilweise zu kompensieren. Denn Billigkeitsmaßnahmen dürfen nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern sie können nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen.

Verlag Dr. Otto Schmidt