Erste Entscheidungen des BFH zum neuen Reisekostenrecht ab VZ 2014
Kurzbesprechung
BFH v. 4.4.2019 , VI R 27/17, v. 10.4.2019 - VI R 6/17, v. 11.4.2019 - VI R 36/16, v. 11.4.2019 - VI R 40/16 u. v. 11.4.2019 - VI R 12/17
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, § 9 Abs. 4, § 9 Abs. 4a Satz 1
Steuerrechtlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Abzugsbeschränkungen bestehen allerdings für den Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort durch die sog. Entfernungspauschale, die den Werbungskostenabzug auf 0,30 € je Entfernungskilometer beschränkt.
Die ab VZ 2014 geltende gesetzliche Neuregelung definiert den Arbeits- oder Dienstort als "erste Tätigkeitsstätte" (bisher: "regelmäßige Arbeitsstätte"). Nach dem neuen Recht bestimmt sich die erste Tätigkeitsstelle anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber (§ 9 Abs. 4 EStG), während es nach der bis VZ 2013 geltenden Rechtslage auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers ankam. Diese Änderung ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG) sowie der Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a Satz 1 EStG) von Bedeutung.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, § 9 Abs. 4, § 9 Abs. 4a Satz 1
Steuerrechtlich sind beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Abzugsbeschränkungen bestehen allerdings für den Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort durch die sog. Entfernungspauschale, die den Werbungskostenabzug auf 0,30 € je Entfernungskilometer beschränkt.
Die ab VZ 2014 geltende gesetzliche Neuregelung definiert den Arbeits- oder Dienstort als "erste Tätigkeitsstätte" (bisher: "regelmäßige Arbeitsstätte"). Nach dem neuen Recht bestimmt sich die erste Tätigkeitsstelle anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber (§ 9 Abs. 4 EStG), während es nach der bis VZ 2013 geltenden Rechtslage auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers ankam. Diese Änderung ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG) sowie der Verpflegungspauschalen (§ 9 Abs. 4a Satz 1 EStG) von Bedeutung.
- Der Streitfall VI R 27/17 betraf einen Polizisten, der arbeitstäglich zunächst seine Dienststelle aufsuchte und von dort seinen Einsatz- und Streifendienst antrat. Die Tätigkeiten in der Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes. In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Dagegen berücksichtigte das FA die Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale und ließ geltend gemachte Mehraufwendungen für Verpflegung unberücksichtigt.
Zu diesem Ergebnis kam auch der BFH im Revisionsverfahren. Denn nach neuem Recht ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer oder Beamte einer ersten Tätigkeitsstätte durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen sowie diese ausfüllende Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers (Dienstherrn) dauerhaft zugeordnet ist. Ist dies der Fall, kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Gegensatz zur bis 2013 geltenden Rechtslage nicht an. Vielmehr ist ausreichend, dass der Arbeitnehmer (Beamte) am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Dies war nach den Feststellungen des FG bei dem Streifenpolizisten im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen der Fall.
In seiner Entscheidung hat sich der BFH auch mit der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung auseinandergesetzt und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung ausdrücklich verneint. Mit der Neuregelung des Reisekostenrechts hat der Gesetzgeber sein Regelungsermessen nicht überschritten, da sich Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken können.
- Der Streitfall VI R 40/16 betraf eine Pilotin. Auch sie machte die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen geltend, wogegen das FA lediglich die Entfernungspauschale berücksichtigte. Auch diese Entscheidung bestätigte der BFH im Revisionsverfahren. Fliegendes Personal - wie Piloten oder Flugbegleiter -, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, hat dort seine erste Tätigkeitsstätte. Da die Pilotin in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich war, dass sie überwiegend im internationalen Flugverkehr tätig war.
- Der BFH machte im Streitfall VI R 40/16 deutlich, dass auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) als (großräumige) erste Tätigkeitsstätte in Betracht kommt. Entsprechend hat er in der Streitsache VI R 12/17 den Ansatz der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen bei einer Luftsicherheitskontrollkraft verneint, die auf dem gesamten Flughafengelände eingesetzt wurde.
- Mit den Entscheidungen VI R 36/16 und VI R 6/17 hat der BFH bei befristeten Arbeitsverhältnissen entschieden, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll. Erfolgt während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsätze Anwendung finden. Damit war der Steuerpflichtige in der Sache VI R 6/17 erfolgreich, so dass dem Steuerpflichtigen Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer zustehen. Im Fall VI R 36/16 kam es zu einer Zurückverweisung an das FG, damit geprüft wird, ob überhaupt ortsfeste Einrichtungen vorliegen.