21.08.2015

Erwerber ist nicht als werdender Eigentümer anzusehen

Ein werdender Wohnungseigentümer bleibt auch dann Mitglied des Verbandes, wenn er die Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Besitzübertragung veräußert (insoweit Aufgabe von BGH-Urt. v. 14.6.1965, Az.: VII ZR 160/63); der Erwerber ist nicht als werdender Wohnungseigentümer anzusehen. Im Ausgangspunkt ist es weiterhin geboten, das Wohnungseigentumsgesetz nicht direkt anzuwenden.

BGH 24.7.2015, V ZR 275/14
Der Sachverhalt:
Die Tochter der Beklagten hatte im Juli 2004 von einer Bauträgerin eine Eigentumswohnung sowie zwei Tiefgaragenstellplätze, die durch Teilung des der Bauträgerin gehörenden Grundstücks entstanden waren, gekauft. Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung erfolgte kurz darauf. Im September 2004 wurde erstmals ein weiterer Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Spätestens im Jahr 2006 überließ die Bauträgerin der Tochter die Wohnung und die Stellplätze zur Nutzung. Im Oktober 2012 veräußerte die Tochter die Wohnung nebst Stellplätzen an die Beklagte. Sodann wurde die Abtretung der Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Derzeit leben Mutter und Tochter in der Wohnung. Im Oktober 2013 wurden die Einheiten in der Zwangsversteigerung einem Dritten zugeschlagen.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte von der Beklagten die Zahlung der Abrechnungsspitzen für das Jahr 2012, rückständiges Hausgeld für den Zeitraum Januar bis einschließlich Oktober 2013 und anteilige Zahlung einer Sonderumlage. Das AG gab der der Klage statt; das LG wies sie ab. Die Revision  der Klägerin vor dem BGH blieb erfolglos.

Gründe:
Die Beklagte schuldet die geforderten Beträge nicht, weil sie nicht Wohnungseigentümerin i.S.v. § 16 Abs. 2 WEG ist. Eine entsprechende Anwendung dieser Norm scheidet aus, weil sie nicht als werdende Wohnungseigentümerin anzusehen ist. Diese Rechtsstellung hat die Tochter der Klägerin spätestens im Jahr 2006 erlangt mit der Folge, dass (nur) sie seither die Kosten und Lasten zu tragen hat. Hieran hat sich durch die im Jahr 2012 vorgenommene Veräußerung nichts geändert.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist in der Entstehungsphase einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Innenverhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Ersterwerbern eine vorverlagerte Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes geboten, sobald die Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzen und infolge des vertraglich vereinbarten Übergangs der Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran haben, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnungsanlage vorzeitig auszuüben. Beides ist anzunehmen, wenn ein wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist. Infolgedessen kann der werdende Wohnungseigentümer einerseits die Mitwirkungsrechte ausüben. Andererseits hat nur er gem. § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten zu tragen.

Ob die Veräußerung einer Einheit durch den werdenden Wohnungseigentümer dazu führen kann, dass der Erwerber als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist, oder ob dieser die mitgliedschaftliche Stellung wie ein Zweiterwerber erst mit dem vollendeten Eigentumserwerb erlangt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Nach überwiegender Ansicht wird die Veräußerung einer Wohnung durch einen werdenden Wohnungseigentümer dem sog. Zweiterwerb gleichgestellt. Werdender Wohnungseigentümer soll - soweit diese Frage erörtert wird - der Zedent bleiben. Der Senat entscheidet diese Frage dahingehend, dass der werdende Wohnungseigentümer (Zedent) auch dann Mitglied des Verbandes bleibt, wenn er die Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Besitzübertragung veräußert (insoweit Aufgabe von BGH-Urt. v. 14.6.1965, Az.: VII ZR 160/63); der Erwerber (Zessionar) ist nicht als werdender Wohnungseigentümer anzusehen.

Im Ausgangspunkt ist es weiterhin geboten, das Wohnungseigentumsgesetz nicht direkt anzuwenden. Die Zession führt nicht dazu, dass der noch immer im Grundbuch eingetragene teilende Eigentümer als Wohnungseigentümer i.S.v. § 16 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Dies liefe nämlich dem mit der Anerkennung des werdenden Wohnungseigentums verfolgten Ziel zuwider, einen möglichst frühzeitigen Übergang der Entscheidungsmacht von dem teilenden Eigentümer auf die Erwerber zu erreichen; es fehlte auch an einer inneren Rechtfertigung für den Eintritt des teilenden Eigentümers in den Verband, weil dieser an der Zession in keiner Weise beteiligt ist. Danach ist entweder der Zedent oder der Zessionar als werdender Wohnungseigentümer anzusehen. Die besseren Gründe sprechen für Ersteres.

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