08.06.2017

Feststellung von dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften

Liegen die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Be-steuerungsgrundlagen (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) und für eine Feststellung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO) vor, können beide Feststellungen miteinander verbunden werden. Eine Nachholung der Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ist auch während des finanzgerichtlichen Verfahrens möglich.

Kurzbesprechung
BFH v. 21.2.2017, VIII R 46/13

AO § 173, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 180 Abs. 5 Nr. 1, § 363 FGO § 68

Ein Gewinnfeststellungsbescheid (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO) enthält eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die im Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können. Solche selbständige Regelungen (Feststellungen) sind insbesondere auch die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns (oder Verlusts) sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer, das Vorliegen und die Höhe des von einem Mitunternehmer erzielten Gewinns aus der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils oder die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung .

Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Feststellung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO. Es handelt sich um jeweils eigenständige Verwaltungsakte (Regelungen). Liegen die Voraussetzungen beider Verfahren vor, können die Feststellungen miteinander verbunden werden. Auch die Nachholung der Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ist grundsätzlich zulässig. Insoweit kann während des finanzgerichtlichen Verfahrens ein erstmaliger (ergänzender) Feststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ergehen, der in einem notwendigen sachlichen Zusammenhang zu dem ursprünglichen (einheitlichen) Bescheid steht, so dass dieser i.S. von § 68 FGO bzw. § 365 Abs. 3 AO "ersetzt" wurde und (teilweise) an dessen Stelle getreten ist.

Im Streitfall waren die konkrete Höhe der in einer deutschen Betriebsstätte erzielten Einnah-men sowie der Umstand, dass keine Aufzeichnungen vorhanden sind, die eine direkte Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben einerseits zu der deutschen und anderseits zu der ausländischen Betriebsstätte ermöglichen, im Zusammenhang mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Verletzt das FA nun seine Aufklärungspflicht und der Steuerpflichtige die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, steht der Änderung des Steuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben nur dann entgegen, wenn der Verstoß des FA die Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen deutlich überwiegt. Eine Änderungsbefugnis des FA ist in solchen Fällen insbesondere dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige in abgabenrechtlichen Antragsvordrucken zu entscheidungsrelevanten Tatsachenfragen entweder überhaupt keine oder sogar inhaltlich unrichtige Angaben gemacht hat.

Im Streitfall war die Steuerpflichtige nicht nur verpflichtet, die in Spanien und Deutschland erzielten Einkünfte (auf der Grundlage entsprechender Aufzeichnungen) zutreffend auf die Betriebsstätten aufzuteilen und in ihrer Feststellungserklärung zutreffende Angaben zur Höhe der gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen zu machen. Sie war weiterhin verpflichtet, die in Deutschland nicht steuerpflichtigen Einkünfte aus der spanischen Betriebsstätte in der Anlage AUS zu erklären, was für sie aufgrund der Hinweise in der Anleitung zur Anlage AUS auch hinreichend erkennbar war. Diesen Pflichten genügte sie jedoch mit ihren Angaben in der Feststellungserklärung und der Beifügung der Bescheinigung der Steuerberaterin zur Gewinnermittlung nicht. Vor diesem Hintergrund war die Würdigung des FG, der Pflichtverstoß des FA überwiege nicht in deutlichem Maße die der Steuerpflichtigen anzulastende Mitwirkungspflichtverletzung, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Verlag Dr. Otto Schmidt