17.05.2016

Feststellungsklage bei nur teilweise bezifferbaren Zahlungsansprüchen

Der Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen lediglich einen Schadensteil in diesem Sinne dar.

BGH 19.4.2016, VI ZR 506/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte die beklagte Klinik wegen einer bei seiner nicht ausreichend aufgeklärten Mutter in der 34. Schwangerschaftswoche rechtswidrig vorgenommenen sectio, auf Schmerzensgeld und Feststellung in Anspruch genommen. Infolge des Eingriffs ist der Kläger heute schwerstbehindert.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat durch Teil-Grund- und Teil-Endurteil entschieden, dass der auf Zahlung von Schmerzensgeld gerichtete Klageantrag dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Insoweit hat es die Sache an das LG zurückverwiesen. Es hat ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht bezifferbaren oder in der Fortentwicklung befindlichen sowie zukünftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch die rechtswidrige Kaiserschnittentbindung entstanden sind oder entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Im Übrigen hat es wegen des weitergehenden Feststellungsantrags die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat der BGH den Feststellungsausspruch neu gefasst und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die rechtswidrige Kaiserschnittentbindung entstanden ist oder entstehen wird, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die Gründe:
Das OLG hatte zu Unrecht ein rechtliches Interesse des Klägers an der weitergehenden Feststellung hinsichtlich des bei Klageerhebung bereits bezifferbaren Schadensteils verneint.

Es ist anerkannt, dass der Kläger grundsätzlich nicht gehalten ist, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage.

Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann. Das OLG hatte einen Schadensersatzanspruch des Klägers bejaht, nach Klageerhebung eingetretene Schäden und Zukunftsschäden für möglich gehalten und insoweit der Feststellungsklage stattgegeben. Infolgedessen durfte es hinsichtlich des etwaig vor Klageerhebung entstandenen (Teil-)Schadens die Feststellungsklage nicht mangels Feststellungsinteresses des Klägers abweisen.

Unerheblich war, dass einzelne Schadenspositionen bei Klageerhebung bereits bezifferbar und die diesen zugrunde liegenden Sachverhalte bereits abgeschlossen gewesen sein mögen. Ein Feststellungsantrag erfasst den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden, auch solche Positionen, die - aus welchem Grund auch immer - nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht und auch nicht zur Begründung des Feststellungsantrags konkretisiert worden waren. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen lediglich einen Schadensteil im obigen Sinne dar.

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