22.06.2016

Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten auch für Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung

Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten grundsätzlich auch für einen Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung. Ihre Reichweite wird bestimmt durch den Zweck, dem Beitretenden deutlich zu machen, dass er nicht nur der gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitritt, sondern der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten Vergütung.

BGH 12.5.2016, IX ZR 208/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger vertrat als Rechtsanwalt den georgischen Staatsangehörigen B.G. in einem Asylfolgeverfahren. Er fertigte unter dem Datum des 30.4.2013 eine Vergütungsvereinbarung. Die Vereinbarung sieht unter der Nr. 1 vor, dass der Mandant anstelle der gesetzlichen Gebühren eine pauschale Vergütung i.H.v. 800 € einschließlich Umsatzsteuer zu zahlen hat. Die Nr. 2 bis 9 regeln Einzelheiten der Vergütungspflicht. Die Nr. 10 der Vereinbarung lautet: "Die Unterzeichner haften gesamtschuldnerisch." Darunter unterzeichnete neben dem Mandanten die als Dolmetscherin für ihn tätige Beklagte. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 800 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG mit der Maßgabe zurück, dass die Klage hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 124 € nebst Zinsen abgewiesen wird.

Die Gründe:
Die Beklagte schuldet dem Kläger den in der Hauptsache geltend gemachten Betrag von 800 € nebst Verzugszinsen. Lediglich hinsichtlich der zusätzlich verlangten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen.

Erklärung eines Schuldbeitritts bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form. Er unterliegt aber als Verpflichtungsgeschäft den Formerfordernissen, die für den Hauptvertrag gelten, soweit diese mit Rücksicht auf den Leistungsgegenstand des Schuldbeitritts aufgestellt sind. Um solche Formerfordernisse handelt es sich auch bei denjenigen nach § 3a Abs. 1 RVG. Sowohl das Erfordernis der Textform als auch die weiteren, in den Sätzen 2 und 3 der Norm aufgeführten Anforderungen dienen der Warnung und dem Schutz des Mandanten. Er soll klar erkennbar darauf hingewiesen werden, dass er eine Vergütungsvereinbarung schließt, die dem Rechtsanwalt einen von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichenden Honoraranspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft.

Tritt ein Dritter der Verpflichtung des Mandanten aus der Vergütungsvereinbarung bei, ist er in gleicher Weise schutzbedürftig. Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten deshalb grundsätzlich auch für die Erklärung des Schuldbeitritts. Die Ansicht des LG, im Streitfall genüge die Gestaltung des Schuldbeitritts nicht den Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 RVG, überzeugt nicht. Nach dieser Vorschrift muss eine Vergütungsvereinbarung als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet werden, sie muss von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein und darf nicht in der Vollmacht enthalten sein.

Inwiefern diese Anforderungen auch auf den Beitritt eines Dritten zu der Vergütungsschuld des Mandanten anzuwenden sind, bestimmt sich nach ihrem Schutzzweck. Dieser besteht darin, den Mandanten, der eine Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts schon von Gesetzes wegen schuldet, davor zu bewahren, dass er sich unbemerkt vertraglich zu einem von der gesetzlichen Vergütung abweichenden Honorar verpflichtet. Bezogen auf den Schuldbeitritt kann es danach nur darum gehen, dem Beitretenden deutlich vor Augen zu führen, dass er nicht nur der gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitritt - ein solcher Beitritt bedürfte keiner besonderen Form -, sondern der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten Vergütung.

Diesen Schutz gewährleistet die hier gewählte Form. Die Vereinbarung ist als Vergütungsvereinbarung bezeichnet und enthält ausschließlich die Vergütung betreffende Regelungen. Sie stellt klar, dass die vereinbarte Vergütung von der gesetzlichen Regelung abweicht. Die am Ende unter Nr. 10 getroffene Bestimmung, dass die Unterzeichner gesamtschuldnerisch haften, ist ein Bestandteil der Vergütungsvereinbarung selbst. Sie machte der Beklagten unmissverständlich klar, dass sie mit ihrer Unterschrift die Mithaftung für die vereinbarte Vergütungsschuld des Mandanten übernahm.

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