05.09.2016

Formunwirksames Testament ist nicht zwangsläufig eine unechte Urkunde

Ein handschriftlich verfasstes Testament, das die Erblasserin nicht selbst geschrieben, aber selbst unterschrieben hat, ist ein im zivilrechtlichen Sinn formunwirksames Testament, aber keine im strafrechtlichen Sinn unechte Urkunde. In einem solchen Fall kann somit auch nicht von einer Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit nach § 2339 Abs. 1 BGB ausgegangen werden.

OLG Hamm 12.7.2016, 10 U 83/15
Der Sachverhalt:
Die im Jahr 2013 im Alter von 85 Jahren verstorbene Erblasserin hat drei Kinder hinterlassen, u.a. den heute 50-jährige Beklagten aus Dortmund, den sie mit notariellem Testament aus dem Jahr 2007 zu ihrem alleinigen Erben bestimmt hatte. In dem Testament hatte sie außerdem angeordnet, dass ihre Tochter, die heute 63-jährige Klägerin, ebenfalls aus Dortmund, den Pflichtteil erhalten sollte.

Im Jahre 2009 unterzeichnete die Erblasserin ein handschriftlich nicht von ihr verfasstes Schriftstück, in dem sie einen wesentlichen Teil ihres Vermögens nicht mehr dem Beklagten, sondern ihrer Enkelin, der Tochter der Klägerin, zuwandte. Nach dem Tode der Erblasserin stritten die Beteiligten über die Erbfolge und insbesondere darüber, ob die Erblasserin mit dem Schriftstück aus dem Jahr 2009 entgegenstehende Regelungen des Testamentes aus dem Jahr 2007 widerrufen habe. Dabei versicherte die Klägerin an Eides statt, ihre Mutter - die Erblasserin - habe das Schriftstück aus dem Jahr 2009 in ihrer Gegenwart selbst geschrieben und unterschrieben.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte die Klägerin vom Beklagten, den sie schließlich als Alleinerben ihrer verstorbenen Mutter anerkannte, den Pflichtteil i.H.v. rund 5.000 €, dessen Zahlung der Beklagte jedoch verweigerte, weil er die Klägerin für erbunwürdig erachtete.

Das LG gab der Klage weitestgehend statt. Die Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Das LG hatte den Beklagten im Ergebnis zu Recht zur Zahlung verurteilt, da der Klägerin aus § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB ein Pflichtteilsanspruch in der zugesprochenen Höhe zusteht.

Von einer Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit der Klägerin nach § 2339 Abs. 1 BGB war nicht auszugehen. Die Klägerin war insbesondere nicht deswegen erbunwürdig, weil sie an der Herstellung oder dem Gebrauch einer im strafrechtlichen Sinne unechten Urkunde beteiligt gewesen war. Denn das im Jahr 2009 von der Erblasserin unterzeichnete Schriftstück war zwar ein formunwirksames Testament, weil die Erblasserin den Text der Urkunde nicht selbst geschrieben hatte. Es war aber keine im strafrechtlichen Sinne unechte Urkunde, weil die Erblasserin die Erklärung selbst unterzeichnet hatte und von einem fehlenden Bewusstsein der Erblasserin, dass sie überhaupt irgendeine Erklärung abgeben hatte, nicht auszugehen war.

Damit hatte sich die Erblasserin die in dem Schriftstück enthaltene Erklärung zu Eigen gemacht und diese als eigene gelten lassen. Das schloss wiederum den Tatbestand einer Urkundenfälschung i.S.v. § 267 StGB aus, dessen Erfüllung durch die Klägerin nach den zivilrechtlichen Vorschriften des BGB zu ihrer Erbunwürdigkeit geführt hätte. Ein weiterer, im BGB geregelter Grund, nach welchem die Klägerin erbunwürdig sein könnte, lag nicht vor. So brauchte im vorliegenden Fall insbesondere nicht beurteilt werden, ob die Klägerin eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben oder sich an einem versuchten Betrug ihrer Tochter zum Nachteil des Beklagten beteiligt hatte, weil diese Umstände keinen gesetzlichen Erbunwürdigkeitsgrund darstellten und der Senat über eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin nicht zu entscheiden hatte.

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OLG Hamm PM vom 5.9.2016
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