25.09.2017

Frau-zu-Mann-Transsexueller gilt rechtlich als Mutter

Ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit ein Kind geboren hat, ist im Rechtssinne als Mutter des Kindes anzusehen. Dass die Eintragung als "Mutter" in das Geburtenregister darüber hinaus mit den früher geführten weiblichen Vornamen vorzunehmen ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 3 TSG.

BGH 6.9.2017, XII ZB 660/14
Der Sachverhalt:
Der Beteiligte zu 1) ist transsexuell. Er war im Jahr 1982 als Kind weiblichen Geschlechts geboren worden erhielt entsprechend weibliche Vornamen. Im November 2008 schloss der Beteiligte zu 1) die Ehe mit einem Mann. Im Jahr 2010 wurden die Vornamen des Beteiligten zu 1) durch gerichtliche Entscheidung in männliche Vornamen geändert. Im April 2011 wurde durch eine weitere gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Beteiligte zu 1) als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist.

Die Ehe des Beteiligten zu 1) wurde im Februar 2013 rechtskräftig geschieden. Im März 2013 gebar der Beteiligte zu 1) das betroffene Kind. Er hat hierzu vorgebracht, nach Zuerkennung des männlichen Geschlechts die Hormone abgesetzt zu haben und wieder fruchtbar geworden zu sein. Das Kind sei durch eine Samenspende ("Bechermethode") entstanden; mit dem Samenspender sei vereinbart worden, dass dieser nicht rechtlicher Vater des Kindes werde.

Das Standesamt hat daraufhin das AG um Entscheidung gebeten, wie die Geburt des Kindes im Geburtenregister zu beurkunden sei. Das AG hat das Standesamt angewiesen, den Beteiligten zu 1) als "Mutter" in das Geburtenregister einzutragen, und zwar mit seinen früher geführten weiblichen Vornamen. Das KG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden möchten der Beteiligte zu 1) und das von ihm vertretene Kind erreichen, dass der Beteiligte zu 1) als "Vater" des Kindes mit seinen aktuell geführten männlichen Vornamen in das Geburtenregister eingetragen wird. Die Rechtsbeschwerden blieben vor dem BGH allerdings erfolglos.

Gründe:
Die Entscheidung des KG war zu bestätigen.

Zwar richten sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung, dass ein Transsexueller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, gem. § 10 Abs. 1 TSG nach dem neuen Geschlecht, wenn durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 11 S. 1 TSG lässt eine solche Entscheidung das Rechtsverhältnis zwischen ihm und seinen Kindern allerdings unberührt.

Die Vorschrift des § 11 S. 1 TSG gilt auch für solche leiblichen Kinder eines Transsexuellen, die erst nach der Entscheidung über die Änderung der elterlichen Geschlechtszugehörigkeit geboren wurden. Durch die Regelung wird gewährleistet, dass der biologisch durch Geburt oder Zeugung festgelegte rechtliche Status als Mutter oder Vater des Kindes gesichert und einer Veränderung nicht zugänglich ist.

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht verfassungswidrig, insbesondere werden die Persönlichkeitsrechte des transsexuellen Elternteils nicht dadurch verletzt, dass ihm das Abstammungsrecht eine rechtliche Elternrolle zuweist, die seinem selbstempfundenen und rechtlich zugewiesenen Geschlecht nicht entspricht. Denn wie das BVerfG bereits ausgesprochen hat, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, Kinder ihren biologischen Eltern auch rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu den biologischen Tatsachen auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird.

Eine davon abweichende Eltern-Kind-Zuordnung hätte nämlich weitreichende Folgen für die Rechtsordnung. Mutterschaft (§ 1591 BGB) und Vaterschaft (§ 1592 BGB) sind als rechtliche Kategorien nicht beliebig untereinander austauschbar, weil sie sich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Begründung als auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Rechtsfolgen - etwa bzgl. des Sorgerechts unverheirateter Eltern - voneinander unterscheiden. Die Zuordnung zum Kind kann für einen gebärenden Frau-zu-Mann-Transsexuellen systemgerecht nur auf eine Mutterschaft zurückgeführt werden, weil er das Kind geboren hat. Auch das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wäre betroffen, wenn das Abstammungsrecht und die darauf beruhenden Eintragungen in die Geburtenregister nicht zutreffend klarstellen würden, auf welche Fortpflanzungsfunktion (Geburt oder Zeugung) es die konkrete Eltern-Kind-Zuordnung zurückführt.

Dass die Eintragung als "Mutter" in das Geburtenregister darüber hinaus mit den früher geführten weiblichen Vornamen vorzunehmen ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 3 TSG. Denn sowohl das Geburtenregister als auch die aus dem Geburtenregister erstellten Geburtsurkunden sollen von Hinweisen auf die Transsexualität eines Elternteils freigehalten werden. Damit verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, es den Kindern später zu ermöglichen, ihre Herkunft mit Geburtenregistereinträgen und Geburtsurkunden nachweisen zu können, deren Inhalt einem Dritten keinen Anlass zu Spekulationen über die Transsexualität seiner Eltern bietet.

Linkhinweise:

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BGH PM Nr. 148 vom 25.9.2017