Fristlose Kündigung bei permanenter Kameraüberwachung im Flur einer Wohngemeinschaft rechtens
AG München v. 28.5.2019, 432 C 2881/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten einen Untermietvertrag für ein ca. 20 qm großes Zimmer in einer Wohngemeinschaft abgeschlossen. Der Beklagte war u.a. zur Mitnutzung von Bad/Dusche/WC und Küche berechtigt. Als Mietzins wurden 810 € zzgl. einer Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 40 € pro Monat vereinbart. Mit undatiertem Schreiben kündigte der Beklagte das Untermietverhältnis fristlos, wobei er diverse Pflichtverletzungen des Klägers behauptete, so etwa eine permanente Videoüberwachung des Flures, der das Zimmer des Beklagten u.a. mit der Küche und dem Badezimmer verbindet. Die Aufnahmen wurden durch den Kläger (unstreitig) regelmäßig ausgewertet.
Ab August 2018 erbrachte der Beklagte keine laufenden Zahlungen mehr. Am 31.8.2018 wurde dem Beklagten durch den anwaltlichen Vertreter des Klägers mitgeteilt, dass die vorgenannte Kündigung als fristgemäße, nicht jedoch als fristlose akzeptiert und die Mietzahlung bis Ende Oktober 2018 gefordert werde. Der Anwalt verwies dabei auf § 12 einer "Zusätzlichen Vereinbarung" des Untermietvertrages. Darin hieß es:
"Vor der Haustür ist zum Schutz der Gemeinschaft eine Kamera angebracht, mit der sich der Untermieter ausdrücklich einverstanden erklärt, ebenso wie mit der Aufbewahrung und Aufzeichnung für einen Zeitraum von max. 90 Tagen."
Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam und war der Ansicht, noch die Mieten (nettokalt) für die Monate August, September und Oktober 2018 i.H.v. insgesamt 2.430 € geltend machen zu können. Das AG wies die Klage weitestgehend ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von Miete für den Zeitraum von 1.8.2018 bis einschließlich 3.8.2018 aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem verfahrensgegenständlichen Untermietvertrag. Ein hierüber hinausgehender Anspruch besteht nicht, denn die fristlose Kündigung des Beklagten, von deren Zugang am 3.8.2018 vorliegend auszugehen ist, hat das Mietverhältnis beendet.
Die fristlose Kündigung kann auf den unstreitigen Vorwurf der Anbringung, des Betriebs und der unterlassenen Entfernung einer Überwachungskamera im Flur der Wohngemeinschaft gestützt werden. Der Verweis des Klägers auf § 12 "Zusätzlichen Vereinbarung" des Mietvertrages und der darin enthaltenen Klausel zur Anbringung einer Kamera ging schon deshalb ins Leere, weil die Klausel lediglich eine Regelung zur Anbringung einer Kamera "vor der Haustür" (also im Freien) enthielt. Eine Kamera im Hausflur - mithin vor der/den Zimmertür(en) der WG - ist von dieser Regelung schon nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut nicht erfasst. Ein diesbezügliches Einverständnis des Beklagten konnte daher per se nicht angenommen werden.
Dem Beklagten ist jedenfalls zuzustimmen, soweit er auf die massive Verletzung des grundrechtlich geschützten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und letztlich auch auf den durch Art. 13 GG geschützten Mietbesitz Bezug nimmt und eine diesbezügliche gravierende Rechtsverletzung durch den Kläger rügt. Dabei war zu berücksichtigen, dass - bei realitätsnaher Betrachtung - das Badezimmer von den Bewohnern nicht immer vollumfänglich bekleidet aufgesucht wird. Soweit durch die Kamera etwaige mietrechtliche Pflichtverstöße wie das unterlassene Schließen der Haustür und/oder die Ordnungsmäßigkeit der Mülltrennung aufgeklärt bzw. überprüft werden sollten, stellte dies keinerlei Rechtfertigungsgrund für die permanente Überwachung dar.
Gerade auch vor dem Hintergrund einer gesteigerten datenschutzrechtlichen Sensibilität der Gesellschaft befremdet die Vorgehensweise der Klagepartei in erheblichem Maße. Ob der Kläger (auch) hierdurch einen Straftatbestand verwirklicht hatte, konnte indes dahinstehen, zumal die Hürde des § 543 Abs. 1 BGB nicht erst im Bereich strafbaren Verhaltens liegt. Dem Beklagten war es hier jedenfalls keine weiteren drei Monate bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten, sich den rechtswidrigen Überwachungsmaßnahmen des Klägers auszusetzen.
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Bayern.Recht
Die Parteien hatten einen Untermietvertrag für ein ca. 20 qm großes Zimmer in einer Wohngemeinschaft abgeschlossen. Der Beklagte war u.a. zur Mitnutzung von Bad/Dusche/WC und Küche berechtigt. Als Mietzins wurden 810 € zzgl. einer Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 40 € pro Monat vereinbart. Mit undatiertem Schreiben kündigte der Beklagte das Untermietverhältnis fristlos, wobei er diverse Pflichtverletzungen des Klägers behauptete, so etwa eine permanente Videoüberwachung des Flures, der das Zimmer des Beklagten u.a. mit der Küche und dem Badezimmer verbindet. Die Aufnahmen wurden durch den Kläger (unstreitig) regelmäßig ausgewertet.
Ab August 2018 erbrachte der Beklagte keine laufenden Zahlungen mehr. Am 31.8.2018 wurde dem Beklagten durch den anwaltlichen Vertreter des Klägers mitgeteilt, dass die vorgenannte Kündigung als fristgemäße, nicht jedoch als fristlose akzeptiert und die Mietzahlung bis Ende Oktober 2018 gefordert werde. Der Anwalt verwies dabei auf § 12 einer "Zusätzlichen Vereinbarung" des Untermietvertrages. Darin hieß es:
"Vor der Haustür ist zum Schutz der Gemeinschaft eine Kamera angebracht, mit der sich der Untermieter ausdrücklich einverstanden erklärt, ebenso wie mit der Aufbewahrung und Aufzeichnung für einen Zeitraum von max. 90 Tagen."
Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam und war der Ansicht, noch die Mieten (nettokalt) für die Monate August, September und Oktober 2018 i.H.v. insgesamt 2.430 € geltend machen zu können. Das AG wies die Klage weitestgehend ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von Miete für den Zeitraum von 1.8.2018 bis einschließlich 3.8.2018 aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem verfahrensgegenständlichen Untermietvertrag. Ein hierüber hinausgehender Anspruch besteht nicht, denn die fristlose Kündigung des Beklagten, von deren Zugang am 3.8.2018 vorliegend auszugehen ist, hat das Mietverhältnis beendet.
Die fristlose Kündigung kann auf den unstreitigen Vorwurf der Anbringung, des Betriebs und der unterlassenen Entfernung einer Überwachungskamera im Flur der Wohngemeinschaft gestützt werden. Der Verweis des Klägers auf § 12 "Zusätzlichen Vereinbarung" des Mietvertrages und der darin enthaltenen Klausel zur Anbringung einer Kamera ging schon deshalb ins Leere, weil die Klausel lediglich eine Regelung zur Anbringung einer Kamera "vor der Haustür" (also im Freien) enthielt. Eine Kamera im Hausflur - mithin vor der/den Zimmertür(en) der WG - ist von dieser Regelung schon nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut nicht erfasst. Ein diesbezügliches Einverständnis des Beklagten konnte daher per se nicht angenommen werden.
Dem Beklagten ist jedenfalls zuzustimmen, soweit er auf die massive Verletzung des grundrechtlich geschützten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und letztlich auch auf den durch Art. 13 GG geschützten Mietbesitz Bezug nimmt und eine diesbezügliche gravierende Rechtsverletzung durch den Kläger rügt. Dabei war zu berücksichtigen, dass - bei realitätsnaher Betrachtung - das Badezimmer von den Bewohnern nicht immer vollumfänglich bekleidet aufgesucht wird. Soweit durch die Kamera etwaige mietrechtliche Pflichtverstöße wie das unterlassene Schließen der Haustür und/oder die Ordnungsmäßigkeit der Mülltrennung aufgeklärt bzw. überprüft werden sollten, stellte dies keinerlei Rechtfertigungsgrund für die permanente Überwachung dar.
Gerade auch vor dem Hintergrund einer gesteigerten datenschutzrechtlichen Sensibilität der Gesellschaft befremdet die Vorgehensweise der Klagepartei in erheblichem Maße. Ob der Kläger (auch) hierdurch einen Straftatbestand verwirklicht hatte, konnte indes dahinstehen, zumal die Hürde des § 543 Abs. 1 BGB nicht erst im Bereich strafbaren Verhaltens liegt. Dem Beklagten war es hier jedenfalls keine weiteren drei Monate bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten, sich den rechtswidrigen Überwachungsmaßnahmen des Klägers auszusetzen.
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