Gemeinsame Grenzwand: Eigentümer haftet für Versäumnisse seines Bauunternehmers nach Abriss
OLG Hamm 3.7.2017, 5 U 104/16Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Ursprünglich waren ihre Grundstücke mit aneinander grenzenden Doppelhaushälften bebaut, die durch eine gemeinsame Giebelwand voneinander getrennt waren. Nach Erwerb Ihres Grundstücks ließen die Beklagten ihre Doppelhaushälfte im Sommer 2011 durch einen Bauunternehmer abreißen und neu errichten.
Im Zuge der Baumaßnahme wurde die gemeinsame Grenzwand freigelegt und war Witterungseinflüssen, u.a. Schlagregen, ausgesetzt. Infolge eindringender Feuchtigkeit kam es - so festgestellt von einem Sachverständigen im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens - zur Schimmelbildung im Haus des Klägers, der seinen hierdurch erlittenen Schaden auf insgesamt rd. 10.500 € beziffert und von den Beklagten ersetzt verlangt. Die Beklagten haben den Kläger an den beauftragten Bauunternehmer verwiesen, von dem der Kläger aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz allerdings keinen Schadensersatz erlangen konnte.
Das LG wies die Klage ab. Auf das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis der Parteien seien die Vorschriften des Schuldrechts nicht anzuwenden, so dass die Beklagten für ein Verschulden des Bauunternehmers nicht einzustehen hätten. Nach deliktsrechtlichen Vorschriften hafteten sie ebenfalls nicht, weil sie selbst nicht schuldhaft gehandelt hätten und der Bauunternehmer nicht ihr Verrichtungsgehilfe gewesen sei. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagten haben für die vom Bauunternehmer pflichtwidrig unterlassenen Abdichtungsmaßnahmen einzustehen. Das folgt aus den vorliegend anzuwendenden schuldrechtlichen Vorschriften einer Erfüllungsgehilfenhaftung.
Es fehlt zwar im Verhältnis von Grundstücksnachbarn regelmäßig das für ein gesetzliches Schuldverhältnis typische Geflecht wechselseitiger Duldungs-, Mitwirkungs- und Leistungspflichten. Die zwischen Grundstücksnachbarn geltenden nachbarrechtlichen Vorschriften konkretisieren im Wesentlichen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Sie sind aber grundsätzlich keine Grundlage für die ein Schuldverhältnis kennzeichnenden Rechte und Pflichten.
Anders liegt der Fall aber dann, wenn sich eine Pflichtverletzung auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung bezieht. Eine solche Grenzeinrichtung stellt im vorliegenden Fall die gemeinsame Giebelwand dar. Sie ist dazu bestimmt, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden. Das durch sie zwischen den Nachbarn begründete Rechtsverhältnis ist gesetzlich besonders geregelt. Eine derartige Wand steht je zur Hälfte im Miteigentum der beiden Nachbarn. Deswegen liegt jedenfalls in Bezug auf die gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Nachbarn vor, auf welches die schuldrechtlichen Vorschriften der Erfüllungsgehilfenhaftung anzuwenden sind.
Daraus folgt, dass ein Geschädigter auch von seinem Grundstücksnachbar wegen eines schuldhaften Verhaltens des vom Nachbarn beauftragten Unternehmers Schadensersatz verlangen kann. Das Verhalten des Unternehmers ist dem Grundstücksnachbar zuzurechnen. Der Nachbar kann den Geschädigten nicht auf die Schadloshaltung bei der Hilfsperson verweisen. Der den Bauunternehmer beauftragende Grundstücksnachbar und nicht der Geschädigte trägt deswegen ein Insolvenzrisiko des Bauunternehmers.
Die Revision zum BGH war zuzulassen. Die Frage, ob die schuldrechtlichen Vorschriften auf nachbarliche Beziehungen in Bezug auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung anzuwenden sind, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und hat insoweit grundsätzliche Bedeutung.
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