Genehmigung von Schulfahrten darf nicht vom Verzicht der Lehrer auf Erstattung ihrer Reisekosten abhängig gemacht werden
BAG 16.10.2012, 9 AZR 183/11Die Klägerin ist an einer Gesamtschule des beklagten Landes als Lehrerin beschäftigt. Sie beantragte als Klassenlehrerin für ihre Klasse die Genehmigung einer mehrtägigen Studienfahrt nach Berlin. Schulfahrten sind nach den Wanderrichtlinien des beklagten Landes Bestandteile der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen. Die Teilnahme an Schulfahrten gehört zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrkräfte, wobei die Leitung in der Regel der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer obliegt. Die Genehmigung der Schulfahrten und der Dienstreisen für die teilnehmenden Lehrkräfte ist bei der Schulleitung auf dem dafür vorgesehenen Formular zu beantragen.
In dem in der Gesamtschule verwandten Formular heißt es u.a.: "Die zu zahlende(n) Reisekostenvergütung(en) ist/sind durch die für unsere Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt; da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir auf die Zahlung der Reisekostenvergütung." Anlässlich der genehmigten Studienfahrt entstanden der Klägerin Reisekosten i.H.v. 234,50 €, wovon ihr 28,45 € erstattet wurden. Die Erstattung der übrigen Reisekosten lehnte das beklagte Land unter Hinweis auf die Verzichtserklärung der Klägerin im Antragsformular ab.
Das ArbG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Das LAG gab ihr statt und sprach der Klägerin den Differenzbetrag i.H.v. 206,05 € zu. Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das LAG hat zutreffend entschieden, dass es dem beklagten Land unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung verwehrt ist, sich auf die von ihm vorformulierte Verzichtserklärung der Klägerin zu berufen.
Zwar finden nach § 23 Abs. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder für die Erstattung von Reisekosten die für die Beamtinnen und Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. Das Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamtinnen und Beamten des beklagten Landes sieht insoweit vor, dass Dienstreisende vor Antritt einer Dienstreise schriftlich erklären können, keinen Antrag auf Reisekostenvergütung zu stellen.
Das beklagte Land verstößt jedoch mit der Praxis, Schulfahrten grundsätzlich nur zu genehmigen, wenn die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten, grob gegen seine Fürsorgepflicht. Mit der generellen Bindung der Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten stellt das beklagte Land die bei ihm angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl, ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit sind, nicht stattfinden.
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