24.01.2017

Geschäfts- und Mitwirkungsregeln eines überbesetzten Spruchkörpers

Die Geschäfts- und Mitwirkungsregeln eines überbesetzten Spruchkörpers müssen die Mitwirkung im Voraus generell-abstrakt regeln und dürfen keinen vermeidbaren Spielraum lassen. Sofern dem - auch bei der Änderung - Rechnung getragen ist, dürfen Mitwirkungsregeln auch während ihrer Geltungsdauer und auch mit Wirkung für anhängige Verfahren unter Verwendung unbestimmter und auslegungsbedürftiger Begriffe (hier: Sachzusammenhang) geändert werden.

BGH 21.11.2016, NotZ(Brfg) 2/16
Der Sachverhalt:
Der 1947 geborene Kläger ist seit 1975 als Rechtsanwalt zugelassen; im Dezember 1985 war er zum Notar für den Bezirk des OLG Frankfurt a.M. mit Amtssitz in Frankfurt bestellt worden. Mit Bescheid aus April 2013 enthob ihn der Beklagte zu 1) vorläufig seines Amtes. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zu 2) zurück.

Die mit Verfügung vom 24.9.2015 erfolgte Amtsenthebung ist Gegenstand eines Parallelverfahrens - Az.: NotZ(Brfg) 3/16. Die gegen die vorläufige Amtsenthebung gerichtete Anfechtungsklage sowie die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Leistungsklage, mit der der Kläger von dieser begehrte, im Wege der Folgenbeseitigung die Beklagten zu 1) und 2) dazu anzuhalten, die vorläufige Amtsenthebung aufzuheben, blieben vor dem OLG ohne Erfolg. Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats zuzulassen, wurde vom BGH abgelehnt.

Die Gründe:
Es bestand kein Grund zur Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d S. 2 BnotO. Das OLG hatte die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers, konnte er sich nicht auf einen durch eine etwaige Feststellung einer Menschenrechtsverletzung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufschiebend bedingten Anspruch stützen. Eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts, mithin ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, war nicht ersichtlich.

Das OLG hatte ausgeführt, das Dezernat der zum 31.3.2014 aus dem Notarsenat ausgeschiedenen Richterin, die für die Bearbeitung zuständig gewesen sei, sei am 1.4.2014 von dem zu dem Senat hinzutretenden Richter S. übernommen worden. Anlässlich des Richterwechsels und wegen der vorhandenen Belastung sei das Dezernat durch eine Änderung der Geschäftsverteilung vom 1.4.2014 von drei Eingängen des Jahres 2014 freigestellt worden. Hiervon seien solche Verfahren ausgenommen worden, die kraft Sachzusammenhangs in das Dezernat fielen oder bereits vor dem 1.3.2014 zugewiesen gewesen seien. In der vorliegenden, am 22.4.2014 durch Verfügung des Vorsitzenden zugewiesenen Sache sei es wegen des Sachzusammenhangs mit weiteren Verfahren bei der Zuständigkeit von Richter S. verblieben.

Das begegnete nach den an die Bestimmung der Sitz- oder Spruchgruppen von Berufsrichtern anzulegenden Maßstäben (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) entgegen der Ansicht des Klägers keinen Bedenken. Die Geschäfts- und Mitwirkungsregelungen der Spruchkörper müssen nämlich im Voraus generell-abstrakt die Mitwirkung der Richter in überbesetzten Spruchkörpern regeln und dürfen keinen vermeidbaren Spielraum lassen. Sofern dem Rechnung getragen ist, dürfen Mitwirkungspläne - auch während ihrer Geltungsdauer und mit Wirkung für anhängige Verfahren - unter Verwendung unbestimmter und auslegungsbedürftiger Begriffe - wie hier: "Sachzusammenhang" - geändert werden.

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