Gestaltungsmissbrauch bei An- und Verkauf von Wertpapieren
KurzbesprechungAO § 42
Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 AO ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung jedoch noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll.
Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Be-steuerung nicht zugrunde gelegt werden. Das ist z.B. der Fall, wenn durch mehrere Geschäfte, die sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisieren, lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn die Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist. Der BFH hat nun entschieden, dass in dem taggleichen An- und Verkauf von-Bezugsrechten im Jahr 1998 einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 AO liegen kann.
Gestaltungsmissbrauch liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige aufgrund spezieller Kenntnis der Abläufe in den Handelssystemen von Wertpapierbörsen und Handelshäusern und der konkreten Marktsituation, davon ausgehen kann, die von ihm zum Verkauf platzierten börsennotierten Wertpapiere zeit- und wertgleich und damit ohne Kursrisiko wieder zurücker-werben zu können. Denn ein steuerrechtlich erheblicher Vorgang kann dann nicht anerkannt werden, wenn er nach dem Willen des Steuerpflichtigen durch gegenläufige Rechtsakte erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung vermieden werden soll.
Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige am 4.11.1998 zusammen mit zwei Mitgesellschaftern nach Börsenschluss einen Verkaufsauftrag hinsichtlich seiner Bezugsrechte platziert. Vor Börseneröffnung am 5.11.1998 hatte er einen entsprechenden Kaufauftrag platziert. Damit hatte er sein Vorgehen bewusst so gestaltet, dass der am Vorabend platzierte Verkaufsauftrag durch einen vor Börsenbeginn übermittelten Kaufauftrag neutralisiert wurde. Da dem Steuerpflichtigen und seinen Mitgesellschaftern als Börsenmakler die Usancen des Börsenhandels und der Handelssysteme an der Börse bekannt waren und der Steuerpflichtige selbst für die Durchführung des Bezugsrechtehandels und die Preisfestsetzung zuständig war, hatte er durch sein Vorgehen darauf hingewirkt, dass am 5.11.1998 die von ihm platzierten Bezugsrechte zu dem von ihm und seinen Mitgesellschaftern über ihre Kauf- und Verkaufsaufträge festgelegten Kurs ausgeführt wurden. Damit hatte er zielgerichtet darauf hingewirkt, dass lediglich formal ein Inhaberwechsel hinsichtlich der Bezugsrechte stattgefunden hatte.
Die platzierten bezugsrechte wurden sodann vom Steuerpflichtigen und seinen Mitgesellschaftern zielgerichtet und aufgrund eines gemeinsamen Vorgehens zurückerworben. Hinzu kam, dass der Steuerpflichtige als Börsenmakler tätig und mit den Gepflogenheiten der örtlichen Börse bestens vertraut war. Er konnte damit sicherstellen, dass Verkaufs- und Kaufaufträge hinsichtlich der streitigen Bezugsrechte von ihm und seinen Mitgesellschaftern in gegenseitiger Deckung zur Ausführung kamen.
Letztlich fehlte auch ein plausibler außersteuerlicher Grund für die gewählte Gestaltung. Vielmehr hatte der Steuerpflichtige sich allein von steuerlichen Motiven leiten lassen, nämlich der Veröffentlichung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, das hinsichtlich der Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG eine erhebliche Verschlechterung (Abschaffung des halben Steuersatzes, Einführung der Fünftelungsregelung) mit sich brachte.