15.05.2018

Gewinn aus als Gegenleistung für Vermögensübertragung an Anteilseigner zu gewährende Aktien

Die Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 erfasst nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Vorschrift das von der übertragenden Körperschaft auf die Übernehmerin übertragene Vermögen, nicht hingegen die für das übertragene Vermögen erbrachten Gegenleistungen (im Streitfall: Aktien) an die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft. Für eine erweiternde Auslegung des in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 enthaltenen Begriffs der "Anteile an der übertragenden Körperschaft" i.S. der Einbeziehung des durch die Gewährung der Aktien an die Anteilseigner der übertragenden Körperschaft realisierten Gewinns besteht angesichts des eindeutigen Normwortlauts kein Spielraum.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.1.2018 - I R 27/16

UmwStG § 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 2 Satz 2

Die Steuerpflichtige, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, war mehrheitlich an einer ehemaligen AG, seit dem 18.10. 1999 B-AG, beteiligt. Die ehemalige A-AG verpflichtete sich durch Vermögensübertragungsvertrag vom 17.6.1999, ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung nach § 174 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) im Wege der Vermögensübertragung mit Wirkung zum 1.1. 2000, 0:00 Uhr (handelsrechtlicher Übertragungsstichtag), auf die Steuerpflichtige zu übertragen. Die Steuerpflichtige war nicht an der A-AG beteiligt. Als Gegenleistung für die Vermögensübertragung sollte sie den Aktionären der A-AG mit Wirksamwerden des Übertragungsvertrages vinkulierte Namensaktien der B-AG gewähren. Die Aktien sollten an eine Bank als Treuhänderin mit der Maßgabe ausgehändigt werden, sie nach Wirksamwerden der Vermögensübertragung an die Aktionäre zu übergeben. Der Vermögensübertragung sollte die Handelsbilanz der A-AG zum 31.12. 1999 als Schlussbilanz zugrunde gelegt werden.

Das FA vertrat dagegen die Auffassung, dass nach § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 sowohl die Übertragung des Vermögens der A-AG an die Steuerpflichtige als auch die Gewährung der Gegenleistung durch die Steuerpflichtige an die Aktionäre der A-AG auf den steuerrechtlichen Übertragungsstichtag zurückzubeziehen und daher bereits in der Bilanz zum 31.12. 1999 zu erfassen seien.

Dies sieht der BFH jedoch anders und wies die vom FA eingelegte Revision gegen das klagestattgebende Urteil des FG als unbegründet zurück. Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige den streitigen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert der B-Aktien und dem gemeinen Wert der erhaltenen Leistung, den Wirtschaftsgütern der A-AG, erst in 2000 realisiert, denn sie hat die ihr nach dem Vermögensübertragungsvertrag obliegende rechtliche Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung in Form der Übertragung der B-Aktien erst am 14.11.2000 über eine treuhänderisch tätige Bank erfüllt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren ihr die angesprochenen Aktien für steuerliche Zwecke noch zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AO).

Weder § 2 Abs. 1 Satz 1 noch § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 enthalten die allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätze verdrängende Spezialregelungen, die im Streitfall dazu führen würden, dass der angesprochene Gewinn bereits in 1999 zu berücksichtigen wäre.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Die Norm enthält eine Fiktion, wonach bezogen auf die übertragende Körperschaft sowie die Übernehmerin die Einkommens- und Vermögensermittlung so vorzunehmen ist, als wäre die Übertragung des betreffenden Vermögens von der übertragenden Körperschaft auf die Übernehmerin bereits mit Ablauf des vorangegangenen steuerlichen Übertragungsstichtages erfolgt. Für steuerliche Zwecke wird danach ein Übertragungsstichtag fingiert, der von der zivilrechtlichen Regelung über die Wirksamkeit des Übertragungsvorgangs abweicht und sich stattdessen am Stichtag der letzten --nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG bis zu acht Monaten vor der Registeranmeldung liegenden-- handelsrechtlichen Schlussbilanz orientiert.

Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut erstreckt sich die Fiktionswirkung alleine auf die steuerliche Behandlung des angesprochenen übertragenen Vermögens. Dies folgt auch daraus, dass es sich bei der Bilanz, welche dem Vermögensübergang zu Grunde liegt, um die in § 17 Abs. 2 UmwG genannte Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft handelt, die der Anmeldung zur Eintragung in das Register beizufügen ist und die sich nur auf das dort ausgewiesene Vermögen beziehen kann. Ob die Übernehmerin für den Erhalt des übertragenen Vermögens eine Gegenleistung erbringt, ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 hingegen nicht relevant. Hinzu kommt, dass sich aus dem Normwortlaut auch keinerlei Anhalt für eine Erstreckung der Rechtsfolgen auf die Ebene der Gesellschafter der an der Übertragung beteiligten Rechtsträger ergibt. Die Rückwirkungsfiktion gilt nur für die an der übertragenden Umwandlung beteiligten Rechtsträger, nicht hingegen für deren Gesellschafter; für diese bleibt es vielmehr bei dem im Steuerrecht geltenden Grundsatz, dass Sachverhalte grundsätzlich nicht auf zurückliegende Zeitpunkte zurückwirken.

Nichts anderes lässt sich § 12 UmwStG 1995 entnehmen; auch hieraus ergibt sich für 1999 keine höhere Körperschaftsteuerfestsetzung. Der von der Steuerpflichtigen bei der Erbringung der Gegenleistung realisierte Gewinn ist nicht Teil des Übernahmeergebnisses nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995. Danach bleibt bei der Ermittlung des Gewinns der übernehmenden Körperschaft ein Gewinn oder Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995) und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, außer Ansatz.

Hiernach kommt als einzige Position, die dem Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter gegenüberzustellen ist, der Buchwert der Anteile i.S. des § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1995 in Betracht. Angesprochen ist damit der Buchwert der wegfallenden Anteile an der übertragenden Körperschaft, mit welchem diese zum steuerlichen Übertragungsstichtag bei der übernehmenden Körperschaft bilanziert sind. Für eine erweiternde Auslegung des in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 enthaltenen Begriffs der "Anteile an der übertragenden Körperschaft" i.S. der Einbeziehung des durch Übertragung der B-Aktien realisierten Gewinns besteht angesichts des eindeutigen Normwortlauts kein Spielraum.

BFH, Urteil vom 17.1.2018, I R 27/16, veröffentlicht am 14.5.2018

Verlag Dr. Otto Schmidt